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Öffentliches Baurecht


Stellplätz auf Grundstück, Vorbelastung, Rücksichtnahme sowie Schikaneverbot

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.01.2024 - 1 ME 139/23 -

Die Antragsgegnerin genehmigte der Beigeladenen in der dieser erteilten Baugenehmigung die Bebauung mit drei Doppelhäusern. Dagegen wandten sich die Antragsteller, da sie eine unzumutbare Belästigung durch in unmittelbarerer Nähe zu ihrer Garage vorgesehene acht Pkw-Einstellplätze befürchteten. Der Bestand zeige neun Einstellplätze (davon vier Garagen), von denen einer nicht genutzt wird. Gegen die Baugenehmigung hatten die Antragsteller, die am Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt waren, Widerspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Dem Aussetzungsantrag kam die Antragsgegnerin nicht nach, weshalb die Antragsteller einen Eilantrag bei dem Verwaltungsgericht stellten. Gegen diese Zurückweisung ihres Antrages legten sie erfolglos Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein.

 

Das OVG wies darauf hin, dass Stellplätze und Garagen grundsätzlich möglichst nah an öffentlichen Verkehrsflächen herangebaut werden sollen, damit kein Störpotential in Ruhezonen hineingetragen würde, in denen bisher keine Fahrzeugbewegungen stattfänden. Selbst nach § 47 NBauO erforderliche Garagen und Stellplätze sollen danach in der Regel nicht im Hintergarten liegen oder in das Blockinnere eines Straßenkarrees vordringen, wenn dieses Karree durch Grünflächen oder relative Wohnruhe gekennzeichnet sei. Die konkurrierenden Nutzungsinteressen seien abzuwägen. Was danach dem Bauherrn gestattet bzw. dem Nachbarn zugemutet werden könne, richte sich nach der Vorbelastung des geplanten Aufstellungsortes durch vergleichbare Anlagen, ferner nach der planungsrechtlichen Vorbelastung.

 

Danach sei vorliegend ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu negieren.  Eine Belastung der rückwärtigen Grundstücksbereiche durch Verkehrsflächen und Stellplätze über das bisherige Maß hinaus sei nicht ersichtlich. Es bliebe – ließe man den seit Jahren nicht genutzten Stellplatz außer Betracht – bei acht Stellplätzen, was bei sechs Wohneinheiten und trotz optimaler Anbindung an Radwege und ÖPNV nicht überdimensioniert sei. Die Annahme der Antragsteller, bei einem (hier vorgesehenen) vollständigen Abriss der Bestandsbebauung müsse der Grundsatz, Stellplätze möglichst straßennah zu errichten, wieder aufleben, sei unzutreffend. Es gelte der Grundsatz, dass eine rechtmäßige Vorbelastung auch dann den Rahmen des Zumutbaren bestimme, wenn ein Grundstück neu bebaut würde (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.09.2022 - 1 ME 48/22 -).

 

Zudem würde die neue Bebauung auch keine neue Qualität der Belastung deshalb erreicht, da alle Stellplätze offen seien und die Fahrzeuge nicht, wie zuvor teilweise, in geschlossenen Garagen untergebracht seien und unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichtet würden. Zwar würden dadurch Verkehrsbewegungen näher an das Grundstück der Antragsteller heranrücken und sich deren Grundstückssituation nachhaltig verändern, doch würden sich bei zweimal am Tag an- und abfahren nur 32 Fahrbewegungen erheben, die sich auf 16 Stunden (6 – 22 Uhr) verteilen würden /2 Fahrbewegungen/Stunde). Dies sei auch mit Blick darauf nicht unzumutbar, dass im rückwärtigen Grundstücksbereich auch bisher Fahrbewegungen stattfänden.

 

Auch der Umstand, dass den Beigeladenen eine nachbarverträglichere Anordnung (z.B. ganz oder in teilen straßenseitig, in geschlossenen Carports oder eine schallschützende Mauer) möglich wäre, stelle sich nicht als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dar. Kämen mehre Nutzungsmöglichkeiten in Betracht, bestünde nicht die Pflicht, die nachbarverträglichste Möglichkeit auszusuchen. Das Gewicht der für die konkrete Ausgestaltung streitenden Interessen des Bauherrn sei im Rahmen der Prüfung  des Gebots der Rücksichtnahme nur dann ausschlaggebend, wenn eine den Nachbarn belastende, aber noch zumutbare Nutzung durch keinerlei nachvollziehbare Bauherrninteressen gerechtfertigt sei (Schikaneverbot), oder dann, wenn einer an sich unzumutbare Belastung des Nachbarn ausnahmsweise besonders unabweisbare für das Vorhaben streitende Interessen gegenüberstünden.

 

 

Schikanös (§ 226 BGB) sei hier die Errichtung er baulichen Anlage nicht. Dies sei dann der Fall, wenn diese keinen anderen Sinn und Zweck haben könne als die Schädigung benachbarter Grundstücke. Es müsse für die Wahl des Aufstellungsortes überhaupt kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegen  und das Recht zur Verwirklichung des Vorhabens müsse ausschließlich geltend gemacht worden sein, im ein unlauteres Ziel zu erreichen. Dafür sei hier nichts ersichtlich.


Nutzungsänderung, Erfordernis einer Baugenehmigung unter Nutzungsuntersagung

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 22.11.2023 - 1 ME 123/23 -

Die Antragsstellerin betrieb in einem Wohn- und Geschäftshaus eine Pizzeria. Doch lag für diese Räume lediglich eine Baugenehmigung für eine Eisdiele aus 1983 vor. Mit Verfügung vom 10.08.2023 (ergangen, nachdem sich Nachbarn über von der Pizzeria ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen beschwerten) untersagte die Antragsgegnerin den weiteren Betrieb der Pizzeria und ordnete Sofortvollzug an. Begründet wurde diese Verfügung mit der ungenehmigten Nutzungsänderung und einer erforderlichen Prüfung im Baugenehmigungsverfahren mit Blick auf den Brandschutz. Die Antragsstellerin, die gegen die Verfügung Widerspruch einlegte, beantragte bei dem Verwaltungsgericht (VG) auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, der zurückgewiesen wurde. Die Beschwerde gegen die Entscheidung wurde abgewiesen.

 

Zutreffend sei das VG davon ausgegangen, dass der betrieb einer Pizzeria in als Eisdiele genehmigten Räumen eine Nutzungsänderung iSv. § 2 Abs. 13 NBauO darstelle. Würde die Variationsbreite einer erteilten Baugenehmigung überschritten, sodass sich die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher oder gefahrenabwehrrechtlicher Hinsicht neu stelle, sei von einer Nutzungsänderung auszugehen.

 

Die Genehmigung für einen Gastronomiebetrieb ereilte Baugenehmigung habe eine Variationsbreite, weshalb nicht jede Veränderung von betrieblichen Abläufen oder der Wechsel des Speiseangebots einer neuen Baugenehmigung. Diese Variationsbreite würde aber dann überschritten, wenn das öffentliche Baurecht an die bauliche Anlage in der neuen Nutzung andere oder weitergehende Anforderungen stelle, also z.B. bereits bestehende Problemlagen – etwa eine Immissionsproblematik – verschärft würde (so z.B. bejaht für eine Änderung von einer Cocktailbar in eine Shisha-Bar, VG Hannover, Beschluss vom 07.08.2023 - 4 B 3754/23 -).

 

Während der Betrieb einer Eisdiele typischerweise während der Tageszeit stattfände, würde eine Pizzeria gerade in den Abendstunden frequentiert. Damit würden andere Fragen des Immissionsschutzes der Nachbarschaft aufgeworfen. Hinzu käme, dass eine Pizzeria auf einen mit hohen Temperaturen betriebenen Backofen angewiesen seien, und damit fragen des Brandschutzes und der Abluftführung aufwerfen würde. Derartige Fragen würden sich bei dem Betrieb einer Eisdiele nicht in vergleichbarer Weise stellen, weshalb die Variationsbreite einer für eine Eisdiele erteilten Baugenehmigung verlassen würde. Alleine der Umstand, dass auch in einer Eisdiele warme Getränke, Waffeln und andere Backwaren auch angeboten werden könnten, ändere an dem grundsätzlichen Unterschied nichts. Es könne offen bleiben, ob die Gefahrenlage bei einer Pizzeria zwangsläufig höher sei als bei einer Eisdiele. Die erneute baurechtliche Prüfung sei schon durch die Andersartigkeit der aufgeworfenen Fragestellungen ausgelöst, die durch die für eine Eisdiele erteilte Baugenehmigung nicht als bewältigt angesehen werden könnten.

 

Selbst wenn die gesetzlichen Anforderungen zu Brandschutz, Abluftanlage und Rauchmeldern eingehalten worden sein sollten und damit eine Genehmigungsfähigkeit bestehen sollte, würde dies nicht die formelle Baurechtswidrigkeit, die für sich eine Nutzungsuntersagung rechtfertige, nicht tangieren. Der Ausnahmefall einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit läge hier bereits im Hinblick auf eine aktenkundige Problematik der gegenwärtigen Abluftführung nicht vor.

 

 

Anmerkung: Die Baubehörde wurde auf die Nutzungsänderung wohl erst infolge von Beschwerden über Lärmbelästigungen aufmerksam. Die Frage der Lärmbelästigung durch Eisdielen und Pizzerien wurde auch vom OVG thematisiert. Allerdings kann dessen Annahme zu Änderungen des Immissionsschutzes für Nachbarn nicht tragen. Es kann nicht davon ausgegangen werden (und dies wird auch nicht vom OVG benannt), dass die Baugenehmigung für die Eisdiele unter der Auflage erteilt wurde, dass diese nur tagsüber, nicht auch abends geöffnet sein dürfe; je nach Lage in ländlichen oder städtischen Gebieten sind auch viele Eisdielen abends geöffnet. Da die Öffnungszeiten für Eisdielen nur über Ladenschlusszeiten u.ä., die für Pizzerien und Eisdielen gleich sind, läge hier mithin eine Abweichung für die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit vom Grundsatz nicht vor, da es nicht darauf ankommen kann, ob die Genehmigungsbehörde von einer abendlichen Schließung (der Eisdiele) ausgeht, nicht erfolgen muss. 


Erschließung, § 123 BauGB: Anspruch bei (jahrelangen) Bestand eines Bebauungsplanes ?

BVerwG, Beschluss vom 15.06.2022 - 9 B 32.21 -

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen für sein Grundstück, damit er seine Ausfahrt wegegerecht benutzen könne. Das Verwaltungsgericht wies nach Ortstermin die Klage ab. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) war hier anderer Ansicht und verurteilte die Beklagte, geeignete Maßnahmen zur Herstellung der wegemäßigen Erschließung des klägerischen Grundstücks zu ergreifen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BVerwG zurückgewiesen.

 

Grundsätzlich bestünde kein Rechtsanspruch auf Erschließung nach § 123 Abs. 3 BauGB, obwohl die Erschließung Sache der Gemeinde ist, § 123 Abs. 1 BauGB. Allerdings könne sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine gemeindliche Erschließungsaufgabe zu einem korrespondierenden Anspruch und damit eine Erschließungspflicht verdichten. Diese Verdichtung läge vor, wenn sich die Gemeinde nach Erlass des qualifizierten Bebauungsplanes entschließe, den Plan zwar nicht aufzuheben, aber von der Durchführung der Erschließung abzusehen (BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 46.91 -). Hier habe der VGH darauf abgestellt, dass seit Erlass des nach wie vor wirksamen (Änderungs-) Bebauungsplanes ohne dessen Vollzug vergangen seien und daher(beanstandungsfrei) den Erschließungsanspruch anerkannt.

 

Vorliegend war zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich der klägerische Anspruch auf einen aus einem Änderungsbebauungsplan ableitete. Das fragliche Flurstück sei zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung hinreichend erschlossen gewesen. Vorliegend gehe es lediglich um einen weitergehenden Erschließungsanspruch („ungehinderte Zufahrt … ohne Erschwernis“) gemäß dem Änderungsbebauungsplan. Diesen Anspruch auf ergänzende Erschließung (aufgrund eines seit Jahren nicht vollzogenen) Änderungsbebauungsplanes sah das BVerwG mit dem VGH auch als gegeben an, wenn im Übrigen bereits eine Erschließung vorlag. 

 

Bereits in seinem vom BVerwG in der besprochenen Entscheidung benannten Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 46.91 - führte das BVerwG zur möglichen Verdichtung des Erschließungsanspruchs aus (Leitsatz 5):  „Eine Gemeinde, die einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen hat, dann jedoch erkennen muß, aus wirtschaftlichen Gründen zur Erschließung außerstande zu sein, kann ein Angebot der Erschließung durch die Betroffenen, dessen Annahme weder aus sachlichen noch persönlichen Gründen unzumutbar ist, nicht ablehnen, ohne dadurch selbst erschließungspflichtig zu werden.“


Veränderungssperre (§ 14 BauGB): Unzulässige Negativplanung bei fehlender positiver Planung

BVerwG, Beschluss vom 05.03.2021 - 4 BN 66.20 -

Eine Veränderungssperre des § 114 BauGB kann beschlossen werden, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes (BPlan) gefasst ist und mit dem Beschluss verhindert werden soll, dass im Plangebiet Vorhaben iSd. § 29 BauGB nicht durchgeführt und bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) und erhebliche oder wesentliche Veränderungen von baulichen Anlagen, die nicht genehmigungs- zustimmungs- oder anzeigepflichtig sind, nicht durchgeführt werden dürfen (§ 114 Abs. 1 Nr. 2 BauGB).

 

Das Bundesveraltungsgericht (BVerwG) hatte über eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Hess. VGH), in dem dieses die Normenkontrollklage gegen eine Veränderungssperre abwies, zu entscheiden. Die Antragstellerin hatte sich bei ihrer Normenkontrollklage darauf berufen, Entscheidungsträger der Antragsgegnerin hätten in einer Bürgerversammlung erklärt, dass es der Stadt mit der intendierten Planung und der Veränderungssperre alleine um die Verhinderung des Vorhabens der Antragstellerin, eine Hochzeits- und Eventhalle zu errichten, gegangen sei und es an einer ausreichenden Planungsvorstellung im Übrigen gefehlt habe und entsprechende planerische Gründe nachgeschoben worden seien. Der Hess. VGH hat demgegenüber angenommen, dass im Zeitpunkt der Aufstellung des BPlans und der in der gleichen Sitzung beschlossenen Veränderungssperre die Antragsgegnerin positive planerische Ziele verfolgt habe und die Veränderungssperre nicht lediglich der Verhinderung der Hochzeits- und Eventhalle gedient habe.

 

Das BVerwG bekräftigte, dass eine sogen. Negativplanung, sich darin erschöpfe, einzelne Vorhaben auszuschließen, für eine Veränderungssperre nicht genüge. Die daraus erwachsenden nachteiligen Wirkungen einer Veränderungssperre seien vor dem Hintergrund der Eigentumsgarantie des Art, 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht erträglich, wenn sie nur zu einer Sicherung einer Planung dienen sollten, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen ließe. Allerdings liege eine unzulässige Negativplanung nicht bereits deshalb vor, da ggf. das Ziel verfolgt würde, bestimmte bisher zulässige Nutzungen zu verhindern, auch wenn dies der Hauptzweck der Planung sei. Ein detailliertes und ausgewogenes Planungskonzept sei nicht erforderlich; ausreichend sei ein Mindestmaß an planerischen Vorstellungen, die geeignet sein müssten, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde (Bauamt) nach § 14 Abs. 2 S. 1 BauGB zu steuern, wenn diese über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden habe (BVerwG, Urteil vom 30.08.2012 - 4 C 1.11 -).

 

 

Auch wenn vorliegend der Hess. VGH in den Entscheidungsgründen nichts zu den Einzelheiten des Vortrags der Parteien ausgeführt habe, ließe sich daraus nicht herleiten, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (hier durch Übergehen von Vortrag) könne nur angenommen werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen des Falls ergäbe. Indem hier der Hess. VGH ausgeführt habe, nicht von einer unzulässigen Negativplanung auszugehen, sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die von der Antragsgegnerin in der Begründung des BPlan-Aufstellungsbeschlusses genannten Gründe nur vorgeschoben worden seien, seien nach der Darlegung des Hess. VGH nicht ersichtlich. Auch der zeitliche und inhaltliche Zusammenhang zwischen dem Antrag der Antragstellerin zur Nutzungsänderung als Hochzeits- und Eventhalle und mit der Aufstellung des BPlan und der Veränderungssperre, würde diese Annahme nicht rechtfertigen, da der Nutzungsänderungsantrag der Antragstellerin, die verhindert werden sollte, bei Vorlage von positiven Vorstellungen über den Inhalt eines BPlans, wie er hier vorgelegen habe, zulässig sei. 


Gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24.11.2020 - 3 A 828/20 -

Streitgegenständlich war die Frage, ob die die beklagte Gemeinde nach § 24 BauGB von einem Vorkaufsrecht Gebrauch machen durfte. Das Verwaltungsgericht (VG) hatte die von der Käuferin erhobene Klage gegen den auf Ausübung des Vorkaufrechts durch die Beklagte gerichteten Bescheid als unbegründet zurückgewiesen. Ihre Berufung gegen das Urteil war insoweit erfolgreich.

 

Zur Begründung des Vorkaufsrechts hatte die Beklagte ausgeführt, das Grundstück läge in einem Bereich, für den der Flächennutzungsplan eine Wohnbebauung vorsähe. Sie beabsichtige zur gegebenen Zeit einen Bebauungsplan aufzustellen, sobald sie die hierfür erforderliche Grundstücke erworben habe. Andernfalls würde die Gefahr bestehen, dass bei einer Baulandentwicklung Baulücken entstehen, die nicht dem allgemeinen Grundstücksmarkt zur Verfügung stünde. Mit Ausübung des Vorkaufsrechts solle auch Kontrolle über das zukünftige Preisniveau erzielt werden.

 

Entgegen dem VG ging der Hess. Verwaltungsgerichtshof (VGH) davon aus, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung nicht berechtigt gewesen sei, ihr gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauBG auszuüben. Die Voraussetzung des § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB, dass die Ausübung dem Wohl der Allgemeinheit dienen müsse, läge nicht vor. Zwar sei die Ausübung des Vorkaufsrechts in einem Fall wie diesem (Kauf eines im Außenbereich belegenen unbebauten Grundstücks im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, der eine Bebauung als Wohnbaufläche/Wohngebiet vorsehe) vor, doch müsse die Ausübung durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.  

 

Auch wenn an der Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB keine überzogenen Anforderungen zu stellen wären, würde die Darstellung im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche/Wohngebiet nicht ausreichend sein. Erforderlich sei, dass die erworbene Fläche unmittelbar oder mittelbar für die Errichtung von Wohngebäuden oder deren infrastruktureller Ausstattung erworben würde. Der Ausübung seien auch zeitliche Grenzen gesetzt. So rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit iSv. § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB die Inanspruchnahme nur, wenn die Gemeinde auch alsbald nach Ausübung des Vorkaufrechts die erforderlichen (weiteren) Schritte unternehme, um das städtebauliche Ziel der Bereitstellung von Wohnbauland zu verwirklichen. Das wiederum gebiete die alsbaldige Aufstellung eines Bebauungsplanes, da nur so der gesetzgeberischen Intention der Begegnung von Wohnraummangel entsprochen werden könne (BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 - 4 B 53.09 -).

 

Das rechtfertige die Ausübung des Vorkaufrechts nur wenn damit Flächen unmittelbar oder (als Tauschland) mittelbar für die Errichtung von Wohngebäuden bzw. deren infrastrukturelle Ausstattung erworben würden, nicht aber zur Bodenbevorratung oder um später möglicherweise Tauschgrundstücke im Rahmen der Verfolgung gänzlich anderer Zwecke zu haben. Nach der Intention des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BauGB zugrunde liegenden Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz/BauGB-Maßnahmegesetz 1990 (übernommen in das BauGB) sollte die Vorbereitung und Durchführung von Wohnbauvorhaben in Gebieten, die die Gemeinde durch Bebauungspläne entwickeln wolle, erleichtert werden.

 

 

Vorliegend habe die Gemeinde selbst nicht geltend gemacht, dass sie zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt oder danach planerisch tätig geworden sei und ernsthaft eine Ausweisung als Wohnbaufläche betreibe. Reine Absichtsbekundungen würden nicht ausreichen.


Baugenehmigung unter Befreiung von Abstandsflächen wegen fehlender Verletzung des Rücksichtnahmegebots ?

HessVGH, Beschluss vom 15.11.2019 - 4 B 1276/19 -

Der Beigeladene beantragte eine Baugenehmigung unter Befreiung von Abstandsflächen zum Grundstück des Antragstellers. Dies wurde von der Antragsgegnerin (Bauamt) gewährt, da nach der topografischen Lage des Grundstücks eine Beeinträchtigung des Grundstücks des Antragsstellers nicht vorläge. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Beschwerde dagegen war erfolgreich.

 

Als unstreitig konnte der VGH davonausgehen, dass eine nach § 6 HBO bestimmet Abstandsfläche nicht eingehalten sei. Zwar sei eine Abweichung von dieser Norm nach § 63 HBO zulässig, wenn dies unter Berücksichtigung des Zwecks der Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen (und somit auch insbesondere aus § 3 Satz 1 HBO:  keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Leben, Gesundheit) vereinbar sei.

 

Zwar würden außergewöhnliche bodenrechtliche Umstände zu einer atypischen Situation führen, die ein Abweichen bei einem Bauvorhaben rechtfertigen könnten. Es müsste sich um eine solche Situation handeln, die einen konkreten Einzelfall betrifft  und sich derart von dem gesetzlichen Regelfall unterscheide, dass dies die Nichtberücksichtigung des normativen Standards rechtfertige. Weiterhin müssten aber auch im Rahmen der Ermessensentscheidung der Zweck der Abstandsflächenregelung, die Belange der Grundstücksnachbarn und öffentliche Belange berücksichtigt werden.

 

 

Zwar hätte hier die Antragsgegnerin die Verhältnisse vor Ort erwogen, allerdings verkannt, dass alleine eine fehlende (gravierende) Beeinträchtigung des Nachbarn in Ansehung der topographischen Verhältnisse die Unterschreitung von Abstandsflächen nicht rechtfertige.  Das Gebot der Rücksichtnahme erfordere vielmehr weiterhin, dass Gesichtspunkte hinzukommen, die in den besonders zu berücksichtigenden Verhältnisse auf dem Baugrundstück oder den für das Vorhaben sprechenden Gründen lägen. Es sei also erforderlich, dass Umstände neben der fehlenden oder geringen Auswirkung der Verringerung der Abstandsflächen Verhältnisse aus dem Bauvorhaben heraus oder dem Baugrundstück heraus dies erfordern. Lägen solche Gründe, wie hier, nicht vor, bestünde ein Ermessendefizit bei der Entscheidung durch die Antragsgegnerin, das zur Rechtswidrigkeit die Verkürzung der Abstandsflächen führt. Insbesondere sei nicht festgestellt worden, dass dem Beigeladenen eine sinnvolle Ausnutzung seines Grundstücks ohne diese Genehmigung nicht möglich sei. 


Festlegung der Kubatur in einem Vorhaben- und Erschließungsplan zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan

BVerwG, Beschluss vom 02.05.2018 - 4 BN 7.18 -

Das OVG hatte im Normenkontrollverfahren  die Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes der Antragsgegnerin festgestellt. Bei dem es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (BPlan) gem. § 13 BauGB handelte. Hierzu führte das OV Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 15.11.2017 - 7 D 55/16.NE - u.a. aus:

 

„Andererseits steht der Gemeinde das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht zur Verfügung, wenn sie nicht nur das konkret zur Realisierung anstehende Vorhaben ermöglicht, sondern von vornherein eine mehr oder weniger breite Palette unterschiedlicher baulicher Nutzungen eröffnet. Hiervon ausgehend erfordert der Vorhabenbezug, dass die Kubatur eines Gebäudes, das Gegenstand des Vorhabens ist – jedenfalls in wesentlicher Hinsicht – festgelegt wird. Daran ermangelt es vorliegend. Die Ausdehnung der durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zugelassenen Gebäude in der Höhe mag zwar noch hinreichend durch die Geschosszahlen festgelegt sein, obgleich die Festsetzungen zur Höhe üner Normalnull lediglich Maximalwerte enthalten. Unzureichend bestimmt ist aber jedenfalls die Ausdehnung der Gebäude in der Fläche. Der Bebauungsplan und … Vorhaben- und Erschließungsplan setzen im Wesentlichen nur Baugrenzen (vgl. § 23 BauNVO) fest, ohne die Kubatur hinsichtlich der überbaubaren Fläche in den wesentlichen Punkten anderweitig zu bestimmen. In den so festgesetzten Baufernstern sind deshalb Vorhaben Baufenstern sind deshalb Vorhaben wesentlich verschiedener Kubaturen zulässig.

 

Die Beigeladene, die den Antrag auf Einleitung des Bebauungsplanverfahrens gem. § 12 BauGB stellte, sah im Rahmen der von der Antragsgegnerin (Gemeinde) erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde als klärungsbedürftig an, § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt (Frage 1) und ob § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB so ausgelegt werden könne, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind (Frage 2).

 

Das BVerwG verneinte die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ließ die Revision nicht zu. Die als klärungsbedürftig angesehenen Fragen würden an dem Inhalt des Urteils vorbeigehen und hier nicht klärungsbedürftig sein. Es sei zwischen dem (wenn auch in einer Urkunde zusammengefassten) Vorhaben- und Erschließungsplan und dem angefochtenen Bebauungsplan zu unterscheiden. Dies schließe die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen BPlans hinausgehen müsse. Diese Differenzierung zwischen den Plänen habe die Beigeladene nicht nachvollzogen.  

 

Aber auch bei Unterstellung, dass die Beigeladene grundsätzlich geklärt wissen wolle, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden müsse, sei die Revision nicht zuzulassen. Diese Frage sei, ohne dass ein revisionsverfahren durchzuführen sei, zu bejahen. In diesem Plan würde nicht allgemein irgendeine Bebauung geregelt, sondern ein oder mehrere konkrete Vorhaben iSv. § 29 Abs. 1 BauGB. Es seien daher nicht nur die Art der baulichen Nutzung (mit einer gewissen Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten), sondern auch das Maß der baulichen Nutzung konkretisiert werden. Dem genüge nicht die Bestimmung eines Höchstmaßes. Auch eine Unterschreitung festgesetzter Maßfaktoren sei zu beachten. Sei diese Unterschreitung in einem Umfang möglich, welches die Identität des Vorhabens in Frage stelle und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedürfe es einer zusätzlichen Festsetzung von Mindestmaßen. Handelt es sich bei dem Vorhaben um ein „aliud“, beurteile sich dies nach den Umständen des Einzelfalls und entzöge sich dies einer grundsätzlichen Klärung. Eine Beschränkung des Maßes nach unten sei auch nicht deshalb entbehrlich, da die Nachbarschaft erfahren wolle, was maximal möglich sei. Die Konkretisierung läge im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass Vorhabenträger (wie die Beigeladene) schon im Eigeninteresse Baugrenzen ausschöpfen würden.


Reicht das Eigentum im Plangebiet für eine Klagebefugnis gegen einen Bebauungsplan ?

BVerwG, Beschluss vom 31.01.2018 - 4 BN 17.17 –

Die Antragstellerin zu 1. (AS 1) wandte sich gegen die Entscheidung des Hess.VGH mit der Begründung, dieser habe ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, dass der von ihr betriebene Gewerbemarkt sich jedenfalls deshalb im Plangebiet befände, da eine mit einem Geh- und Fahrrecht belastete Teilfläche des Grundstücks als  Zu- und Ausfahrt zur H. Straße integrierter Bestandteil des im Sondergebiert 1 von ihr betriebenen Marktes sei. Diesen gerügten verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs sah das BVerwG nicht. Es verwies darauf, dass die Antragstellerin ausdrücklich auf die (vom Hess.VGH hier negierte) Antragsbefugnis eines Eigentümers abgestellt habe, dessen Grundstück außerhalb des Plangebiets läge und insoweit auch auf einen Beschluss des BVerwG verwiesen habe. Damit scheide eine Verletzung rechtlichen Gehörs zu Lasten der AS 1 aus.

 

Allerdings sei die zulässige Beschwerde der Antragstellerin zu 2. (AS 2) begründet. Die Revision von ihr sei wegen Divergenz zuzulassen.

 

Das BVerwG verwies darauf, dass die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO wegen einer möglichen Eigentumsverletzung grundsätzlich zu bejahen sei, wenn sich ein Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wende, die unmittelbar sein Grundstück betreffe. Er könne in diesem Fall die Festsetzung gerichtlich überprüfen lassen, da eine planerische Festsetzung Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmen würden, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Eine auch nur potentielle Rechtswidrigkeit eines solchen Eingriffs brauche der betroffene Eigentümer nicht ungeprüft hinnehmen. Sei er damit aber befugt, eine gerichtliche Überprüfung zu betreiben, käme es auch nicht darauf an, ob die Betroffenheit mehr als geringfügig sei, sein Interesse schutzwürdig wäre oder für die Gemeinde erkennbar sei. Ausreichend sei die Eigenbetroffenheit.

 

 

Davon sei der Hess.VGH in seinem Normenkontrollunterteil zu Lasten der AS 2 abgewichen. Er habe fehlerhaft die Antragsbefugnis der AS 2 negiert, da aufgrund eines Vergleichs der Festsetzungen des Ursprungs- und des angefochtenen Änderungsbebauungsplanes nicht ersichtlich sei, dass die AS 2 durch die mit der Änderungsplanung einhergehende geringfügige Erweiterung der baulichen Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstücks in ihren Rechten verletzt sein könnte. Ebenso habe der Hess.VGH (fehlerhaft) die Erweiterung des Geh- und Fahrrechts zugunsten der neu im Plangebiet einbezogenen Grundstücke mit der Begründung verneint, es sei lediglich eine bestehende Belastung (Geh- und Fahrrechte) zugunsten der neu im Plangebiet einbezogenen Grundstücke „fortgeschrieben“ worden.


Verwirkung des Klagerechts gegen eine Baugenehmigung

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.12.2017 - 2 B 1483/17 -

Die Antragsteller erhoben im Juni 2017 Klage gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verbunden mit dem Eilantrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung. Zugrunde lag dem eine dem beigeladenen am 10.03.2014 erteilte Baugenehmigung um Erweiterung seines Betriebs um einen Schweinemaststall mit 1440 Mastschweinen; mit dem Bau begann der Beigeladene im März 2017. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen Verwirkung des Klagerechts zurück; die dagegen von den Antragstellern eingelegte Beschwerde wurde vom OVG zurückgewiesen.

 

Die Verwirkung eines materiellen Abwehranspruchs setze, so das OVG, einen längeren Zeitraum voraus, währenddessen die Möglichkeit zur Klageerhebung bestanden hätte und dies dem Berechtigten bewusst gewesen sei.  Der positiven Kenntnis würde es gleich stehen, wenn der Berechtigte von ihm belastenden Maßnahmen zuverlässig Kenntnis haben müsste, so dass sie sich ihm aufdrängen müssten und es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, sich letzte Gewissheit hätte verschaffen können. Eine danach verspätete Klageerhebung würde gegen Treu und Glauben verstoßen, da der Berechtigte trotz ihm bekannter Umstände oder ihm zurechenbarer Möglichkeit zur Kenntniserlangung erst zu einem Zeitpunkt Klage erheben würde, zu dem der von der Baugenehmigung Begünstigte und die zuständige Behörde nicht mehr mit einer Klageerhebung rechnen müssten.

 

 

Vorliegend hätten die Antragsteller spätestens im Herbst 2015 zuverlässig Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung für den Beigeladenen erlangen können und müssen. Aus einem von ihnen selbst im Zusammenhang mit einem  eigenen Bauantrag beauftragten Gutachten vom 26.10.2015 hätten sie jedenfalls Kenntnis von einem geplanten Vorhaben des Beigeladenen nehmen können. Dieses Gutachten sei von ihnen für eine Sicherstellung der Genehmigungsfähigkeit des eigenen Vorhabens eingeholt worden. Denn nach den dortigen Grundlagen war das Vorhaben des beigeladenen als Vorbelastung im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, wobei sich auch ergab, dass in dem Gutachten nicht vom beigeladenen benannte Daten, sondern Daten der Baugenehmigungsbehörde verarbeitet worden seien.  Selbst wenn man unter diesen Umständen annehmen wolle, dass die Antragsteller keine Kenntnis hatten, hätte sich ihnen deren Existenz in Ansehung der im Gutachten benannten exakten Tierplatzzahlen mit Zuordnung zu drei Geruchsquellen (von denen 2015 erst zwei existiert hätten) förmlich aufdrängen müssen. Jedenfalls hätte sie bei dieser Sachlage selbst aktiv werden müssen und sich über die rechtliche Situation informieren müssen, da die Angaben im Gutachten offensichtlich nicht nur den Ist-Bestand wiederspiegelt hätten.


Erschließung: Wann besteht ein einklagbarer Anspruch ?

VG Neustadt a.d.Weinstraße, Urteil vom 20.03.2014 - 4 K 633/13 NW -

Die Kommune weist in Abstimmung mit dem Land (dies in Bezug auf eine als notwendig angesehen Verkehrsanbindung an eine Landstraße) ein Gewerbegebiet aus und erteilt daraufhin auch Baugenehmigungen. Die Verkehrsanbindung wird aber nicht erstellt, weshalb größere LKW nicht oder nur (verbotswidrig) über einen landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg zu den Betrieben fahren können. Ein Anlieger, der in dem Gebiet einen Landmaschinenhandel betreibt, beauftragte uns (nach zehn Jahren) und wir haben Klage vor dem VG Neustadt an der Weinstraße erhoben. Das VG gab der Klage statt. Es wies darauf hin, dass zwar nicht bereits der Bebauungsplan einen Anspruch auf Erschließung gäbe. Wenn aber, wie hier, eine Baugenehmigung trotz fehlender Erschließung erteilt würde, müsste die Erschließung auch zweckentsprechend (hier in Bezug auf das Gewerbegebiet: Zufahrt für große LKW, auch Gliederzüge) möglich sein.