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Private Haftpflichtversicherung


Die häusliche Gemeinschaft und Mitversicherung volljähriger Kinder

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 04.04.2023 - 4 U 2595/22 -

Der Kläger begehrte von der Beklagten Deckungsschutz in Form der Freistellung zu einem Schadensfall. Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung der Mutter des Klägers, der bereits volljährig war und eine abgeschlossene Berufsausbildung hatte. Das Landgericht wies seine Klage ab. Auf seine Berufung erließ das OLG einen Hinweisbeschluss nach § 522 ZPO und wies darauf hin, dass beabsichtigt sei, seine Berufung zurückzuweisen, woraufhin er das Rechtsmittel zurücknahm.

 

Nach den Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) waren auch volljährige Kinder mit abgeschlossener Berufsausbildung mit in der Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers (hier der Mutter des Klägers) mitversichert, wenn sie „in häuslicher Gemeinschaft“ mit dem Versicherungsnehmer leben.

 

In den Entscheidungsgründen wies das OLG darauf hin, dass vom Kläger nicht ausreichend dargelegt worden sei, dass er noch in den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung seiner Mutter eingeschlossen gewesen sei. Nach den Versicherungsbedingungen sei nach den einschlägigen AHB für die Einbeziehung von volljährigen Kindern mit abgeschlossener Berufsausbildung Voraussetzung, dass sie mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben würden, sie auch dieselbe Meldeadresse wie der Versicherungsnehmer hätten.

 

Das bestehen derselben Meldeanschrift begründe aber nicht bereits die Annahme der häuslichen Gemeinschaft, wovon der Kläger ausging, der eine entsprechende Meldebescheinigung vorgelegt habe, aber weiteres zu den häuslichen Verhältnissen nicht mitteilte.  Die häusliche Gemeinschaft bestünde bei einem nicht ganz vorübergehenden Verhältnis der Wohngemeinschaft, das vor allem in einer einheitlichen Wirtschaftsführung zum Ausdruck käme; als Indizien benannte das OLG die zumindest teilweise gemeinsame Nutzung von Hausrat und Räumen, die Gewährung von Kost und Logis, die Dauer des gemeinsamen Wohnens und das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung.

 

Damit schloss das OLG den Urteilen des BGH vom 12.11.1985 - VI ZR 234/84 - und des Brandenburgischen OLG vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - an.  Der BGH hatte die Problematik der "häuslichen Gemeinschaft" in einem Fall des § 67 Abs. 2 VVG (heute: § 86 Abs. 2 VVG) getroffen, in dem er klären musste, ob die Person, gegen die sich der auf den Versicherer übergehende Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers richtet, mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebt, da die häusliche Gemeinschaft den Regress des Versicherers hindert. Der BGH wandte die vom OLG in der besprochenen Entscheidung benannten Merkmale an, um die Kriterien für eine solche festzustellen. Im Hinblick auf das Familienprivileg im Rahmen des Entschädigungsanspruchs des Sozialversicherers nach § 116 SGB X, welches die Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialversicherer hindert, setzte sich das Brandenburgische OLG auch mit der häuslichen Gemeinschaft als Kriterium des Familienprivilegs im obigen Sinne auseinander.

 

 

Da es an einer substantiierten Darlegung des Klägers zu der „häuslichen Gemeinschaft“ ermangelte, sah auch das OLG die Klage als nicht begründet an.  


Auswirkung eines Anerkenntnis (hier: Feststellung zur Insolvenztabelle) auf den Deckungsanspruch

BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 309/19 -

Die GmbH, über deren Vermögen im September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war bei der Beklagten im Rahmen einer Verkehrshaftungsversicherung im Risikobereich des Unternehmensgegenstandes der GmbH (Umzug und Lagerhalten) haftpflichtversichert. Der Kläger hatte die GmbH im Juni 2010 mit Umzugsleistungen einschl. Ein- und Auslagerung von Gegenständen beauftragt, bei denen es nach seinen Angaben zu Schäden gekommen sein soll. Seine Forderung meldete der Kläger am 18.10.2012 mit € 33.530,15 nebst Zinsen zur Tabelle an, die der Insolvenzverwalter in voller Höhe feststellte. Mit Schreiben vom 11.12.2012 und 05.07.2013 überließ der Insolvenzverwalter dem Kläger die Geltendmachung des Deckungsprozesses der GmbH als Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte einschließlich der gerichtlichen Geltendmachung. Die Beklagte verwies darauf, den Anspruch bereits mit einer (auch unstreitigen) Zahlung abgegolten zu haben und lehnte eine weitere Regulierung ab. Nachdem der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben hatte, erfolgte in 2018 eine Schlussverteilung, aus der der Kläger € 14.307,07 erhielt und das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben. Das Landgericht gab der Klage in Höhe der Klage auf Zahlung von € 30.608,80 statt. Das OLG wie die Klage, nachdem die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von € 14.307,07 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, ab. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Revision, die vom BGH zurückgewiesen wurde.

 

Vorliegend sei (von der Revision nicht angegriffen) vom Berufungsgericht festgestellt worden, dass der maximale Schaden des Klägers € 11.750,00 betrug und der Kläger insgesamt (einschl. der Schlussverteilung) € 20.307,07 erhalten habe. Der Kläger könne nicht unter Berufung auf den zur Tabelle festgestellten Betrag eine weitergehende Forderung geltend machen.

 

Bei Insolvenz des Versicherungsnehmers könne der Geschädigte gem. § 110 VVG ein Recht auf abgesonderte Befriedigung am Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen dessen Haftpflichtversicherer geltend machen, mit der Folge, dass er diesen direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen könne. Voraussetzung sei aber (wie im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer), dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 106 S. 1 VVG festgestellt worden sei.

 

Eine solche Feststellung könne auch durch ein Anerkenntnis des Haftpflichtanspruchs (durch den nicht insolventen Versicherungsnehmer oder den Insolvenzverwalter) erfolgen. Eine widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten zur Tabelle würde ein derartiges Anerkenntnis darstellen.

 

Allerdings sei die Bindungswirkung für den Versicherer an ein Anerkenntnis des Versicherungsnehmers (oder des Insolvenzverwalters) im Deckungsverhältnis nicht gegeben. Zwar sei gemäß § 105 VVG der Versicherungsnehmer frei ein Anerkenntnis zu erklären, doch bliebe dies ohne Einfluss auf das Deckungsverhältnis. Verspreche der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr als diesem zustünde, habe der Versicherer das Recht, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen. Ein Anerkenntnis ohne Zustimmung des Versicherers komme deshalb nach § 106 S. 1 VVG nur insoweit Bindungswirkung zu, als eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage bestünde, was ggf. inzident im Deckungsprozess gegen den Versicherer zu klären sei.  

 

Dies gelte auch dann, wenn wie hier das Anerkenntnis durch widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle erfolgt sei. Der Geschädigte würde im Insolvenzfall nicht benachteiligt, wenn die auch sonst für die Bindungswirkung von Anerkenntnissen nach § 106 S. 1 VVG geltenden Grundsätze herangezogen würden. Im Gegenteil würde es ansonsten zu einer Privilegierung des Geschädigten im Insolvenzfall kommen, wollte man dem Insolvenzverwalter die Befugnis einräumen, den Versicherer zu Gunsten des Geschädigten zu belasten.

 

Auch der Umstand, dass die in der Tabelle festgestellte Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern wirke (§ 178 Abs. 3 InsO) ändere daran nichts. § 201 Abs. 2 2 S. 1 InsO sähe nur vor, dass aus der nicht bestrittenen Eintragung in der Tabelle, gegen den Schuldner vollstrecken könnten. Die Vorschrift wirkt allerdings nicht gegen Dritte und bewirkt daher auch keine Bindungswirkung nach § 106 S. 1 VVG. Eine analoge Anwendung scheide auch aus.

 

 

Vorliegend hatte zwar die Beklaget auch eine Prämienforderung zur Tabelle angemeldet. Dass sie Kenntnis von der Anmeldung der Haftpflichtforderung hatte sei eben so wenig dargelegt wie eine Zustimmung der Beklagten zur Feststellung einer solchen zur Tabelle. 


Kein Versicherungsschutz für Schäden beim Entladen eines Fahrzeuges („Benzinklausel“)

LG Wuppertal, Urteil vom 14.11.2019 - 9 S 125/19 -

Mit der vom Amtsgericht zurückgewiesenen Klage des Versicherungsnehmers (VN) negierte das Amtsgericht den Versicherungsschutz aus einer privaten Haftpflichtversicherung bei der Beklagten aus Anlass eines von der VN verursachten Schadens, der dadurch von der VN verursacht wurde, dass sie auf einer Hebebühne des von ihr angemieteten Transporters stehend beim Entladen einer Leiter ein in den Luftraum ragendes Reklameschild beschädigte. Ihre Berufung wurde vom Landgericht zurückgewiesen.

 

Das Amtsgericht hatte sich auf Ziffer 6.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AHB) bezogen. Nach dieser Klausel sei die Haftpflicht des Besitzers eines Kraftfahrzeuges (auch wenn er dieses wie vorliegend nur angemietet habe) wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht werden, nicht versichert. Es habe sich hier das Gebrauchsrisiko verwirklicht.

 

Das Landgericht sah keine Veranlassung, von der rechtlichen Würdigung des Amtsgerichts abzuweichen. Es handele sich bei der Klausel um die sogen. Benzinklausel, derzufolge die Haftpflicht u.a. des Führers eines Kraftfahrzeuges für Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeuges verursacht würden, nicht über die private Haftpflichtversicherung gedeckt sei. Der Umstand, dass das Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt stand, ändere daran nichts. Weiterhin sei der Klägerin (VN) Führer des Fahrzeuges, welches sich in der Entladung befunden habe, gewesen.

 

Der Ausschluss des Versicherungsschutzes durch die „Benzinklausel“ sei aus sich heraus und eng auszulegen. Er würde nur dann greifen, wenn sich eine Gefahr verwirklicht habe, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen ist und diesem selbst und unmittelbar zuzurechnen sei. Deshalb müsse der Schaden dem Kraftfahrzeugrisiko näher stehen als dem Privat-/Betriebs-/Tierhalterrisiko, mithin dem Kraftfahrzeugrisiko bei natürlicher Betrachtung zuzuordnen sein. Das sei bei Be- und Entladevorgängen dann der Fall, wenn und solange das Kraftfahrzeug in innerem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- und Transportmittel be- bzw. entladen würde. Dieser Zusammenhang bestünde jedenfalls dann, wenn das Be- oder Entladen mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung des Fahrzeuges selbst erfolge (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2018 - 3 U 49/18 - zum Betrieb iSv. § 7 StVG). Der BGH würde in dem Entladevorgang einen Gebrauch des Fahrzeuges sehen, solange das Kraftfahrzeug selbst oder eine an oder auf ihm befindliche Vorrichtung daran beteiligt sei. Daher sei ein Schaden beim Hantieren mit dem Ladegut dann “durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeuges entstanden und diesem zuzurechnen, d.h. der Gebrauch für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt würde (BGH, Urteil vom 26.06.1979 - VI ZR 122/78 -).

 

 

Hier käme hinzu, dass der Schaden beim Einsatz der Hebebühne als Vorrichtung des Fahrzeuges entstanden sei. Es habe sich nicht das allgemeine Lebensrisiko der Klägerin (VN) verwirklicht, sondern dem Fahrzeuggebrauch eigene Gefahr, da die Klägerin die Reklameeinrichtung nur deshalb habe beschädigen können, da sie auf der Hebebühne stand. Die Entscheidung des OLG Hamm vom 09.08.2017 - 20 U 30/17 - würde dem nicht entgegenstehen, da zum Einen die benannten Grundsätze durch auch benannt worden seien, zum Anderen der Schaden dort deshalb entstand, da durch Ungeschicklichkeit Flaschen heruntergefallen und explodiert seien und sich daher nicht das typische Risiko des Fahrzeuges verwirklicht habe.