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Streithilfe / Nebenintervention


Nebenintervention: Akteneinsichtsgewährung bei Zweifel an der Berechtigung des Beitritts ?

OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.11.2022 - 11 U 78/22 (Kart.)

Die Bedeutung der Nebenintervention wird häufig verkannt. Für den Nebenintervenienten besteht die Möglichkeit, wenn auch abhängig vom Vortrag der Partei, der er in dem Rechtsstreit beitritt, Einfluss auf das gerichtliche Verfahren zu nehmen, auch Rechtsmittel einzulegen. Der Kreis derer, die einem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten dürfen, ist allerdings limitiert. Dies verdeutlicht auch der Beschluss des OLG Frankfurt, mit dem der Antrag des dem Rechtsstreit durch Nebenintervention Beitretenden auf Akteneinsicht zurückgestellt wurde.

 

Grundsätzlich hat derjenige, der dem Rechtsstreit im Rahmen einer Nebenintervention beitritt (§  66 ZPO) wie auch die Parteien selbst ein Recht auf Einsicht in die Gerichtsakte, § 67 iVm.  § 299  ZPO). Dieses Recht steht ihm auch zu, wenn noch keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention erfolgte, § 71 Abs. 2 iVm. § 299 Abs. 1 ZPO. Dies wird auch vom OLG in seinem Beschluss festgehalten. Offen ließ das OLG die Frage, ob dies auch für vor dem erklärten Beitritt mitgeteilte geheimhaltungsbedürfte Informationen gelte. Denn vorliegend sei erst mit der Entscheidung über die Zulässigkeit des Beitritts über das Akteneinsichtsgesuch zu entscheiden und dieses zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen der Nebenintervention offensichtlich nicht vorlägen.

 

Vom OLG wird zutreffend ausgeführt, dass für die zulässige Nebenintervention ein rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei Voraussetzung sei, § 66 ZPO. Dieses rechtliche Interesse erfordere, dass die Entscheidung oder deren Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des Nebenintervenienten rechtlich einzuwirken vermag (BGH, Beschluss vom 18.11.2015 - VII ZB 57/12 -). Erfasst würden durch § 66 ZPO insbesondere Fälle der Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten, der Vollstreckbarkeit und Tatbestandswirkung bezüglich des Nebenintervenienten, der Vorgreiflichkeit (z.B. bei einem Verfahren zwischen Kaufvertragsparteien bei Beitritt des evtl. sekundär haftenden beurkundenden Notars), der akzessorischen Haftung, der Prozessstandschaft des materiell Berechtigten, des befürchteten Regresses beim Nebenintervenienten oder von Regressansprüchen des Nebenintervenienten.

 

Nicht gedeckt sind durch § 66 ZPO ist damit ein rein tatsächliches oder wirtschaftliches Interesse. Dazu, so das OLG, gehöre der bloße Wunsch des Nebenintervenienten, der Rechtsstreit möge zugunsten einer Partei entschieden werden, und die Erwartung, das Gericht würde im Falle einer günstigen Entscheidung an seinem Standpunkt auch in einem künftigen eigenen Rechtsstreit festhalten.  Dies gelte auch dann, wenn in beiden Fällen dieselben Ermittlungen angestellt werden müssten oder über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden wäre.

 

Im vorliegenden Verfahren sei von der Nebenintervenientin, die in keiner Rechtsbeziehung zum Kläger und in einer rechtlich vom vorliegenden Rechtsstreit unabhängigen Beziehung zur Beklagten stünde, geltend gemacht worden, selbst ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen die Beklagte zu betreiben, und das vorliegende Verfahren sei „faktisch präjudiziell“. Damit würde die Nebenintervenientin nur auf ein nicht ausreichendes tatsächliches Interesse abstellen.

 

Nicht ersichtlich ist aus den Beschlussgründen, ob eine der Parteien des Rechtsstreits den Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellte, § 71 Abs. 1 ZPO. Ohne einen solchen Antrag würde sich die Prüfung des Gerichts auf die Prüfung der Prozesshandlungsvoraussetzungen (Partei-, Prozessfähigkeit, gesetzliche Vertretung, Postulationsfähigkeit und Vollmacht) zu beschränken haben. Das rechtliche Interesse wie auch eine Rechtsmissbräuchlichkeit des Beitritts sind nur auf Rüge zu prüfen (Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. § 66 Rn. 14; Bünnigmann in Anders/Gehle, ZPO 81. Auf. § 71 Rn. 4).

 

 

Beachtlich ist an der vorliegenden Entscheidung des OLG, dass dieses das in § 71 Abs. 3 ZPO normierte Recht des Nebenintervenienten einschränkt, d.h. das Akteneinsichtsgesuch bis zur (rechstkräftigen) Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zurückstellt. dass die Nebenintervenientin bis zum rechtskräftigen Ausspruch der Unwirksamkeit der Nebenintervention im Hauptverfahren zuzuziehen ist, mithin auch die Rechte des Nebenintervenienten (und damit das Recht auf Akteneinsicht) nach § 299 Ab. 1 ZPO hat, da mit Parteien iSv. § 299 Abs. 1 ZPO die Prozessbeteiligten gemeint sind, zu denen auch der Nebenintervenient gemeint ist, was so ersichtlich auch vom OLG verstanden wird.  Gleichwohl ist der Entscheidung zuzustimmen. Das OLG verweist darauf, dass bei Fehlen der Voraussetzungen für eine Nebenintervention sich diese und das Akteneinsichtsgesuch darin erschöpfen würden, die Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 ZPO für Akteneinsichtsgesuche durch Dritte zu unterlaufen und/oder statt eines Gesuchs über den Gerichtsvorstand mit abweichenden Rechtsschutzmöglichkeiten zum umgehen. Diesem beugt das OLG durch das Zurückstellen des Antrages vor, da danach das Gesuch dann positiv zu entscheiden wäre, wenn über die Zulässigkeit der Nebenintervention entscheiden wird.  Fraglich ist dies allerdings für den Fall, dass die Entscheidung über die Nebenintervention auch in der Endentscheidung ergehen kann, und - bei Feststellung der Zulässigkeit - die Nebenintervenientin an der Ausübung ihres Rechts nach Art. 103 GG (rechtliches Gehör) gehindert worden wäre. Zwar bezieht sich hier das OLG darauf, dass nach der derzeitigen Begründung der Nebenintervention nach § 66 ZPO nicht von einer zulässigen Nebenintervention auszugehen sei, doch würde dies nicht einen weiteren, die Voraussetzungen evtl. belegenen Vortrag der Nebenintervenientin ausschließen. Grundsätzlich ist das Zurückstellen bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung über die Nebenintervention sicherlich richtig, da die Gerichtsakte nur parteiöffentlich ist, nicht allgemein zugänglich ist (wie sich auch aus § 299 ZPO erschließt). Allerdings dürfte dann die Entscheidung über die Zulassung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zusammen oder zeitgleich mit der Endentscheidung im Verfahren ergehen.


Wirkung widersprüchlicher Angaben der nicht anwaltlich vertretenen Hauptpartei

BGH, Urteil vom 26.04.2022 - VI ZR 1321/20 -

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche wegen einer Bissverletzung durch die Katze der Beklagten geltend. Im Prozess trat der Haftpflichtversicherer der Beklagten dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei; nachdem sie zunächst an den Kläger € 1.000,00 gezahlt hatte, stellte sie in der Folge ihre Einstandspflicht in Frage.

 

Im Verfahren vor dem Landgericht war die Beklagte anwaltlich nicht vertreten; seine Streithelferin trug vor, dass der Kläger Miteigentümer und -halter der Katze sei und zudem der Vortrag des Klägers zum Geschehensablauf unplausibel sei, da die Katze bei einem Zubeißen infolge eines Schrecks nicht in den Handballen sondern in die Rückseite seiner Hand gebissen hätte und zudem Katzen nicht bissig seien und von daher die Katze hätte provoziert worden sein müssen. Das Landgericht hörte die (anwaltlich nicht vertretene) Beklagte an (§ 141 ZPO).

 

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es habe sich nicht von einem, Geschehensablauf, wie vom Kläger zugrunde gelegt, überzeugen können. Das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers zurück. Mit der vom BGH zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein begehren weiter. Dies führte zur Aufhebung des klageabweisenden Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

 

Nach Auffassung des BGH könnten die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus § 833 S. 1 BGB (Tierhalterhaftung) aus den vom OLG benannten Gründen nicht verneint werden. Voraussetzung sei zunächst die Verletzungshandlung, in der sich die typische Tiergefahr widerspiegele. Eine entsprechende adäquate bzw. mitursächliche Handlung der Katze sei gegeben, da das OLG den Vortrag des Klägers, er sei in der Wohnung bei seinem Besuch der Beklagten von deren Katze gebissen worden, als unstreitig angenommen hatte. Auf die Einzelheiten des Schadenshergangs (die vom OLG vermisst wurden) käme es nicht an.

 

Auch habe das OLG den Hergang des Vorfalls als streitig angesehen. Bestritten wurde dies von der Streithelferin. Das Bestreiten des Streithelfers ist allerdings unbeachtlich, wenn sich damit der Streithelfer mit dem Vortrag der Hauptpartei in Widerspruch setzt, § 67 S. 1 Halbs. 2 ZPO. Hierauf nahm der BGH Bezug. Der Streithelfer (oder auch Nebenintervenient) muss auf einer Seite (Kläger- oder Beklagtenseite) dem Rechtstreit beitreten. Die Seite, der er beitritt, unterstützt er gemeinhin. Allerdings kann der Streithelfer/Nebenintervenient natürlich eigene Interesse mit dem Beitritt verbinden, die nicht mit den Interessen der unterstützten (beigetretenen) Partei entsprechen müssen, dies auch in Ansehung eines möglichen Folgeanspruchs der unterstützten Partei gegen ihn. Damit wird durch § 67 ZPO ausgeschlossen, dass die Rechtslage durch Vortrag des Streithelfers zu Lasten der unterstützten Partei beeinflusst wird; natürliche Folge ist, dass unabhängig von der Rechtswirkung der Tatsachenvortrag der unterstützten Partei dem Vortrag des Streithelfers vorgeht und mithin ein Bestreiten durch den Streithelfe nicht im Widerspruch zum Parteivortrag der unterstützten Partei stehen darf und ebenso umgekehrt, soweit die unterstützte Partei entgegen der Behauptung des Streithelfers bestreitet. Hierauf hinweisend führte der BGH aus, dass es für den Widerspruch der unterstützten Partei gegen einen Sachvortrag des Streithelfers ausreichend sei, dass sich dieser aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei ergäbe. Für den Widerspruch benötige die unterstützte Partei selbst im Anwaltsprozess keinen Rechtsanwalt, der diesen für sie erkläre; der Widerspruch unterliege nicht dem Anwaltszwang.

 

Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass im Falle einer  streitgenössischen Nebenintervention (die hier nicht vorlag) der Vortrag des Nebenintervenienten trotz Widderspruchs der Hauptpartei beachtlich bleibe. Eine streitgenössische Nebenintervention läge vor, wenn nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts und Prozessrechts die Rechtskraft der Entscheidung in dem Hauptprozess (der Prozess, in dem die Nebenintervention erfolgte) auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit sei (§ 69 ZPO). Im Hinblick darauf könne in diesem Fall der Nebenintervenient auch im Widerspruch zu der unterstützten Partei (Hauptpartei) eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen.

 

Im Haftpflichtversicherungsrecht ist zwischen dem Haftpflicht- und dem Deckungsverhältnis zu unterscheiden. Während über das Deckungsverhältnis nur im Prozess des Haftpflichtversicherers mit dem Versicherungsnehmer entschieden wird (also z.B. ob überhaupt für den Schadensfall als solchen Versicherungsschutz vereinbart wurde, ob Ausschlusstatbestände vorliegen), wird über den Haftpflichtanspruch nur im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten entschieden, weshalb der Haftpflichtversicherer ein eigenes rechtliches Interesse an einer Beteiligung an diesem Rechtsstreit hat, da das Urteil für ihn im Rahmen des Deckungsanspruchs Bindungswirkung hat. Dies wird auch vom BGH zugrunde gelegt, der darauf hinwies, dass vorliegend dem Privathaftpflichtversicherer nicht die Rolle eines Streitgenossen zukäme mit der Folge, dass er von § 67 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO befreit wäre. Auch in Ansehung der Bindungswirkung des rechtskräftigen Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsprozess könne nicht von § 67 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen werden, da die Bindungswirkung nicht mit der in § 69 ZPO vorausgesetzten Rechtwirksamkeit gleichzusetzen sei. Diese folge nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, sondern aus dem Leistungsversprechen, welches der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben habe (BGH, Beschluss vom 18.01.2022 - VI ZB 36/21 -).

 

Da der Sachvortrag zum Geschehensablauf im Widerspruch zu den Angeben der vom Landgericht angehörten Beklagten stand, war mithin das Bestreiten der Streithelferin des klägerseits  behaupteten Geschehens unbeachtlich.

  

Anmerkung: Nicht problematisiert hat vorliegend der BGH die Frage, ob das Landgericht die anwaltlich nicht vertretene Beklagte überhaupt hätte anhören dürfen (das Anhörungsrecht der anwaltlich in einem Anwaltsprozess nicht vertretenen Parteien verneinend OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2009 - 19. W 22/09 -, bejahend mit der Begründung, der Vertreter der Nebenintervention sei ihr Anwalt OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2019 -  I-9 U 93/19; die Entscheidung des OLG Hamm ist nicht überzeugend, da der Nebenintervenient ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat und haben muss, weshalb deren Rechtsanwalt nicht wie der Rechtsanwalt der Hauptpartei angesehen werden kann, § 66 ZPO). Problematisch ist das Übergehen dieses Umstandes durch den BGH: Erfolgt eine Anhörung, obwohl diese nicht zulässig war, dürfte deren Ergebnis nicht verwertet werden; de Auffassung des BGH, die Erklärung auch einer anwaltlich nicht vertretenen Partei sei als Widerspruch gegen den Angaben des Streithelfers zu werten mit der möglichen Folge der Unbeachtlichkeit der Ausführungen der Streithelferin könnte dazu führen, dass unberechtigt Parteianhörungen nach § 141 ZPO (gerade in Fällen, in denen nur der Nebenintervenient anwaltlich vertreten ist) vermehrt durchgeführt werden und damit die rechtlichen Grundlagen des § 141 ZPO ad absurdum geführt werden.


Übergang von Beklagten zur Nebenintervention nach Streitverkündung und Rechtsmittel des Streithelfers

BAG, Beschluss vom 26.05.2018 - 8 AZN 974/17 –

Die Beklagte zu 2. wurde von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht unter der Bedingung einer Erfolglosigkeit ihrer gegen die Beklagte zu 1. erhobenen Klage in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht entschied die Klage gegen die Beklagte zu 2. nicht (und nach Verkündung und Zustellung des Urteils wurde von keiner der Parteien ein Urteilsergänzungsantrag gestellt). Sie verkündete allerdings der der (ehemaligen) Beklagten zu 2. im Berufungsverfahren den Streit und die (ehemalige) Beklagte zu 2. trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage gegen die Beklagte zu 1. nach mündlicher Verhandlung, zu der die ehemalige Beklagte zu 2. und zwischenzeitliche Streithelferin der Klägerin nicht geladen wurde,  ab. Dagegen erhob die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde. Die war zulässig und begründet.

 

Die Streitverkündung sei wirksam, insbesondere die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Zwar wurde die Beklagte zu 2. Partei des erstinstanzlichen Verfahrens; die gegen sie erhobene Klage sei aber unzulässig gewesen, da die Klägerin die Beklagte zu 2. nicht unbedingt sondern unzulässig unter einer Bedingung (nämlich für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1.) in Anspruch genommen habe (unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung, BAG vom 23.01.2010 - 2 AZR 720/08 -). Auch wenn durch eine unzulässige Klage ein Prozessrechtsverhältnis begründet würde, sei dieses allerdings nach dem erstinstanzlichen Urteil mangels Antrages auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nach Ablauf der dafür bestimmten Frist des § 321 Abs. 2 ZPO  entfallen und sei die Beklagte zu 2.  damit Dritter. 

 

Damit habe die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin zulässig das Rechtsmittel (hier der Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt, auch wenn die Klägerin von diesem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht habe.  Das Rechtmittel des Streithelfers (Nebenintervenienten) sei stets ein Rechtsmittel der Hauptpartei, weshalb sich die Beschwer auch nach dessen Beschwer und nicht nach einer Beschwer des Streithelfers richten würde.

 

Vorliegend läge der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO vor, der auch als besondere Ausprägung der Versagung rechtlichen Gehörs die Nichtladung zur mündlichen Verhandlung beinhalte, weshalb weder die Partei noch deren gesetzlicher Vertreter hätten  teilnehmen können.  Zwar habe die Beklagte nicht als Partei geladen werden müssen, da ihre Parteistellung mit Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO beendet worden sei; allerdings habe die Beklagte zu 2. Im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin gehabt und wäre damit iSv. § 547 Nr. 4 ZPÜO als „Partei“ zu behandeln gewesen.

 

 

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und der Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.


Unzulässiges Rechtsmittel des Streithelfers nach Rücknahme des Rechtsmittels durch die unterstütze Partei

BGH, Beschluss vom 11.04.2017 – VI ZR 636/15 -

Streithilfe bedeutet, dass ein Dritter dem Rechtsreit anderer Beteiligter auf Seiten von einem von ihm beitritt, sei es, da er dies von sich aus vornimmt oder ihm von einer der Parteien des Rechtsstreits der Streit verkündet wird. So hat z.B. regelmäßig der (private) Haftpflichtversicherer in einem Rechtstreit seines Versicherungsnehmers ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, da die Entscheidung Grundlage des Deckungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer ist. Ein Interesse an einer Streitverkündung durch eine Partei kann dann bestehen, wenn z.B. der Streitverkündete gesamtschuldnerisch mit der streitverkündenden Partei haften könnte und damit die Feststellung zum Haftungsgrund und zur Haftungshöhe auch mit Bindungswirkung zur Vermeidung divergierender Entscheidungen in einem Verfahren gegen den Gesamtschuldner diesem gegenüber festgestellt werden.

 

Vorliegend hatten sowohl die Streithelferin als auch die von ihr unterstützte Hauptpartei gegen eine vorangegangene Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt. Danach kam es zu einem umfassenden außergerichtlichen Vergleich zwischen den Parteien des Rechtstreits (der Streithelfer ist nicht Partei), in dessen Folge die Beklagte, auf deren Seite die Streithelferin beigetreten war, das Rechtsmittel zurücknahm.

 

Der BGH wies daraufhin die selbständige Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin der Beklagten als unzulässig zurück und verwies zur Begründung auf § 67 Halbs. 2 ZPO. Nach § 67 ZPO ist es dem Nebenintervenienten/Streithelfer zwar unbenommen eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen (mithin auch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde) vorzunehmen; eingeschränkt wird dies allerdings durch § 67 Halbs. 2 ZPO dadurch, dass dies nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen der unterstützten Partei steht.

 

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte als unterstützte Partei stand damit ersichtlich in Ansehung des zwischen den Parteien des Rechtsstreits umfassend abgeschlossenen Vergleich die (nicht zurückgenommene) Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin im Widerspruch zur Handlung der unterstützten Partei. Erkennbar wollte die unterstützte Partei keine Entscheidung mehr über ihr Rechtsmittel und den Prozess (auf Grund des außergerichtlichen Vergleichs) beenden.

 

Anmerkung zur rechtlichen Konsequenz des Verhaltens der unterstützten Partei:

 

Nicht auseinandersetzten musste sich der BGH hier mit den möglichen Konsequenzen der Verhaltensweise der unterstützten Partei. Da offenbar die Streithelferin an dem Vergleich der Parteien des Rechtsstreits nicht beteiligt wurde,  soll dies doch beleuchtet werden:

 

Vorliegend handelte es sich um eine einfache Nebenintervention (Streithilfe), d.h. der Nebenintervenient war nicht Streitgenosse der Hauptpartei. Die tragenden Gründe eines Urteils wirken für und gegen den Nebenintervenienten, § 68 ZPO. Kommt es nicht zu einem rechtskräftigen Urteil, da sich die Parteien vergleichen, greift die Bindungswirkung des § 68 ZPO bereits deshalb nicht, da es an bindenden Feststellungen des Gerichts durch ein (bestandkräftiges) Urteil ermangelt. Wird ein Vergleich zwischen den Parteien in 2. Instanz geschlossen, gilt dies auch, da mit dem Vergleich dem Urteil seine Bestandkraft genommen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn bereits vor Abschluss des Vergleichs ein bestandskräftiges Grundurteil ergangen ist, der Vergleich nur in der Folge geschlossen wurde (z.B. sich die Parteien zur Höhe verglichen); in diesem Fall entfalten die tragenden Gründe zum Grund des Anspruchs Bindungswirkung auch zwischen dem Nebenintervenienten und der unterstützten Partei.

 

 

Durch die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde seitens der unterstützten Partei und der dadurch bedingten Unzulässigkeit der eigenen Nichtzulassungsbeschwerde der Streithelferin kann nur bedingt eine Bindungswirkung er damit rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz eintreten. Denn die Streithelferin ist nur dann mit Einwendungen zur mangelhaften Prozessführung  der Hauptpartei nach § 68 ZPO ausgeschlossen, als sie nicht durch Vortrag oder Anträge bzw. Prozesshandlungen Einfluss nehmen konnte. Hier war der Streithelferin eine weitere Einflussnahme auf das vorangegangene Urteil durch die durch Handlung der unterstützten Partei unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen. Das führt dazu, dass in einem möglichen Folgeverfahren zwischen der unterstützten Partei und der Streithelferin die Streithelferin immer noch die Angriffe gegen die bestandskräftige Entscheidung vorbringen kann, die sie auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren hätte vorbringen können, weshalb im Falle deren Erheblichkeit dies zur gewollten Abänderung oder Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Entscheidung geführt hätte und auch insoweit in dem jetzt neuen Verfahren zu berücksichtigen wäre. Vor diesem Hintergrund sollte die unterstützte Hauptpartei stets versuchen, bei einem gewollten Vergleich den Nebenintervenienten mit einzubeziehen; ist dieser nicht bereit, wäre von ihr das Risiko abzuschätzen, welches sich aus der Nichteinbeziehung durch die (eventuell teilweise) fehlende Bindungswirkung eines Urteils ergibt.