Sowohl der BGH (Beschluss vom 28.02.2024 - IX ZB 30/23 -) wie auch der BFH (Beschluss vom 28.06.2024 - I B 21/23 (AdV) -) mussten sich mit der Frage auseinandersetzen, ob das Rechtsmittel (BGH: Berufung; BFH: Beschwerde) zulässig war, insoweit in beiden Fällen nicht der im jeweiligen Schriftsatz am Ende benannte Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) den jeweiligen Schriftsatz über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (BGH) bzw. besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (BFH) versandte, sondern ein anderer Rechtsanwalt (BGH) bzw. Steuerberater (BFH) aus der gleichen Sozietät, im Fall des BGH mit qualifizierter elektronischer Signatur, im Fall des BFH ohne qualifizierte Signatur aus seinem elektronischen Postfach versandte. Der BGH nahm ein zulässiges Rechtsmittel an, der BFH sah hier ein unzulässiges Rechtsmittel.
1. Die Entscheidungen:
a) Im Fall des BGH legitimierte sich für den Beklagten die Rechtsanwaltssozietät G. (der der Beklagte angehörte) und wurde die Berufungsschrift von dem Beklagten einfach signiert (maschinenschriftliche Namensangabe mit Zusatz „Rechtsanwalt“) allerdings nicht von diesem, sondern dem der Sozietät angehörenden Rechtsanwalt J. qualifiziert elektronisch signiert und über dessen elektronisches Anwaltspostfach (beA) dem Gericht übermittelt. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig.
Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Die Berufungsschrift sei fristgerecht eingegangen, da die qualifizierte elektronische Signatur des RA J. ausreichend gewesen sei. Es fehle – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht an einem nach außen in Erscheinung tretenden fehlenden Bindeglied zwischen der auf den Namen des Beklagten lautenden einfachen Signatur und der qualifizierten Signatur des RA J. § 130 Abs. 3 S. 1 ZPO verlange, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person oder von dieser signiert würde; die einfache Signatur sei ausreichend, wenn der einfach signierende Rechtsanwalt den Schriftsatz selbst über den sicheren Übermittlungsweg (hier: beA) nach § 130a Abs. 4 ZPO übermittle. Würde der Schriftsatz mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, entsprächen deren Rechtswirkung unmittelbar denen einer handschriftlichen Unterschrift gem. § 130 Nr. 6 ZPO. Der das Dokument mit qualifizierter elektronischer Signatur einreichende Rechtsanwalt übernehme für dessen Inhalt – ebenso wie bei einer handschriftlichen Unterschrift – die Verantwortung.
Nicht schädlich sei, dass am Schluss des Dokuments ein anderer Rechtsanwalt als derjenige stünde, der qualifiziert signiert habe. Unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu §§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO machte der BGH deutlich, dass eine Identifizierung des Urhebers des Schriftsatzes im Anwaltsprozess nicht bedeute, dass der Schriftsatz notwendig von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst verfasst werden müsse. Maßgeblich sei stets gewesen, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt den gegebenenfalls von einem anderen Rechtsanwalt formulierten Schriftsatz nach eigener Prüfung genehmige und unterschreibe, wobei im Zweifel angenommen werden konnte, dass der Unterzeichner mit der Unterschrift auch die Verantwortung für den bestimmenden Schriftsatz übernehme. Es habe auch keines klarstellenden Zusatzes (wie „für“) bedurft. Denn durch die Unterzeichnung ließe sich entnehmen, dass er anstelle des Verfassers die Unterschrift leiste und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder Unterbevollmächtigter auftrete. Dies gelte auch für den elektronischen Rechtsverkehr. Die qualifizierte elektronische Signatur entspräche der Unterschrift.
Danach unterläge es keinem Zweifel, dass RA J. als sozietätsangehöriger und damit vom Beklagten beauftragter Rechtsanwalt diesen mit Anbringung seiner qualifizierten elektronischen Signatur habe vertreten wollen und zugleich iSv. § 130a Abs. 3 S. 1 Fall 1 ZPO die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes seines Kollegen, den dieser verfasst und nur einfach signiert hatte, übernehmen wollte.
b) Im Fall des BFH stritten die Parteien um die gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden. Neben einen Einspruch gegen einen Bescheid des Finanzamtes ließ die Antragstellerin bei dem Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) nach § 69 Abs. 3 S. 1 FGO stellen. Das Finanzgericht wies den Antrag zurück, wogegen die Antragstellerin (die vom Finanzgericht zugelassene) Beschwerde erhob. Der BFH wies die Beschwerde als unzulässig zurück.
Dabei stellte der BFH auf § 52a Abs. 1 FGO ab und führte zur Bedeutung der qualifizierten elektronischen Signatur deren Bedeutung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 28.02.204 aus. Allerdings sah es die Zulässigkeit der Beschwerde als nicht gegeben an.
Dabei stellte der BFH darauf ab, dass „die Unterschrift auf dem Schriftsatz“ mit einfacher Signatur versehen gewesen sei und vom Steuerberater E. stamme, während die Übermittlung über das besondere Steuerberaterpostfach (beSt) der Steuerberaterin F. erfolgte. Zwar waren beide Sterberater Partner der prozessbevollmächtigten Steuerberaterkanzlei. Doch war dies nach dem BFH nicht ausreichend. Der durch den sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Absender sei nicht identisch mit der Person, die durch ihre Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe, weshalb die Beschwerde nicht wirksam eingereicht worden sei.
2. Hinweise:
Der BFH verwies in seiner Entscheidung auf die o.g. Entscheidung des BGH. Der Unterscheid liegt darin, dass im Fall des BGH der übermittelnde Rechtsanwalt den bestimmenden Schriftsatz qualifiziert elektronisch signierte, was hier nicht erfolgte. Garde durch die qualifizierte Signatur konnte der BGH davon ausgehen, dass der mit qualifizierter Signatur das Schriftstück über sein elektronisches Postfach versendende Anwalt der Sozietät als Haupt- oder Unterbevollmächtigter auftritt und die Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen wollte. Mangels einer qualifizierten Signatur der Steuerberaterin war diese Annahme im Fall des BFH nicht möglich.
Befindet sich eine (grundsätzlich ausreichende) einfache Signatur auf dem (bestimmenden) Schriftsatz, ist darauf zu achten, dass bei Versendung über das elektronische Postfach (sei es beA, beSt oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg) derjenige, der weiterleitet, qualifiziert signiert.
In diesem Zusammenhang darf noch auf folgende Entscheidungen verwiesen werden:
a) Der BGH hat im Rahmen einer Revision in einer Strafsache mit Beschluss vom 18.10.2022 - 3 StR 262/22 - die Revision als unzulässig verworfen. Die Revisionsschrift war von dem zum Pflichtverteidiger bestellten Strafverteidiger (grundsätzlich zulässig) nur maschinenschriftlich signiert. Doch wurde sie nicht von ihm aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) versandt, sondern – mit qualifizierter Signatur – von einem anderen, am Verfahren nicht beteiligten Rechtsanwalt, der weder Pflichtverteidiger des Angeklagten noch allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidiger (§ 53 Abs. 2 S. 1 BRAO) war und auch keine Vollmacht des Angeklagten als Wahlverteidiger hatte. In diesem Fall wäre aufgrund der Singularität der vorliegenden Vollmacht selbst dann die Revision zu verwerfen gewesen, wenn der qualifiziert signierende Rechtsanwalt Sozietätsmitglied einer Sozietät mit dem Pflichtverteidiger gewesen wäre.
b) Gründe für eine Wiedereinsetzung hatte der BFH in dem oben benannten Verfahren nicht gesehen und ausgeführt, die Antragstellerin habe Gelegenheit gehabt, dazu vorzutragen, was nicht erfolgt sei.
Hierzu ist der Beschluss des BAG vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20 – von Interesse, mit dem dieses den Beschluss des Landesarbeitsgericht, mit dem die Berufung als unzulässig verworfen wurde, aufhob und Wiedereinsetzung gewährte. Die Berufungsschrift war in diesem Fall nicht nur nicht qualifiziert signiert gewesen (was grundsätzlich nicht erforderlich ist, liegt nicht z.B. eine Ausnahme wie oben im Fall des BGH vor), sondern es fehlte auch eine einfache Signatur. Das angefochtene Urteil war am 21.02.2019 zugestellt worden, die Berufungsschrift aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) am 20.03.2019 dem Landesarbeitsgericht (LAG) zugeleitet. Mit Verfügung vom 21.03.2019, 14:02 Uhr, teilte der Vorsitzende den Zugang der Berufungsschrift vom Vortag und das Aktenzeichen mit. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berufungsbegründung fristgerecht (und ordnungsgemäß mit einfacher Signatur) eingereicht hatte, wies das LAG auf den Mangel in der Berufungsschrift hin. In der Folge verwarf das LAG die Berufung unter Zurückweisung des zeitlich rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrages.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) ließ auf sich beruhen, ob ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten vorlag, da eine Kausalität für die Verfristung nicht festgestellt werden könne. Es sei ein faires Verfahren zu gewährleisten (Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art, 20 Abs. 3 GG). Aus eigenen Fehlern des Gerichts dürften keine konkreten prozessualen Nachteile für die Partei abgeleitet werden. Zwar gäbe es keine generelle Pflicht der Gerichte, die Formalien eines elektronischen Dokuments sofort zu prüfen. Hier aber sei nach der zeitlichen Folge ein Hinweis möglich gewesen, habe doch nach dem Eingang des Dokuments am 20.03.2019 noch ein voller Tag bis 24:00 Uhr zur Einreichung einer prozessordnungsgemäßen Berufungsschrift zur Verfügung gestanden. Bereits zum Zeitpunkt der Verfügung des Vorsitzenden durch Signierung um 14:02 Uhr am, 21.03.2019 war dem Vorsitzenden ersichtlich, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß signiert war. Es hätte der Prozessbevollmächtigte informiert werden müssen und können. Ohne besondere Anstrengung hätte dies telefonisch oder mittels Telefax erfolgen können. Damit war Wiedereinsetzung zu gewähren.
Es lohnt sich also in entsprechenden Fällen Einsicht in die Gerichtsakte zu nehmen, um die zeitlichen Folgen und Möglichkeiten festzustellen.
c) Insgesamt empfiehlt es sich, neben der einfachen Signatur auch qualifiziert elektronisch zu signieren.
Der Kläger machte Schadensersatzansprüche geltend mit der Begründung, der Beklagte habe seiner Verkehrssicherungspflicht nicht genügt und deshalb habe er sich verletzt. Das Amtsgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Berufung.
Die Verjährung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs des Klägers trat mit Ablauf des 31.12.2021 ein. Die Klage wurde am 25.12.2021 durch elektronische Übermittlung lediglich der ersten Seite der Klageschrift und der Anlagen zur Klageschrift durch an anwaltlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers bei dem zuständigen Amtsgericht eingereicht worden. Mit dem 27.12.2021 wurde der Kläger zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses aufgefordert. Unter dem 26.01.2022 wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgefordert seine ersichtlich unvollständige Klage zu vervollständigen, was er dann auch unter Überlassung der kompletten Klageschrift tat. Der Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Mit Verweis auf die eingetretene Verjährung wurde die Klage abgewiesen. Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige seine Berufung zurückzuweisen. Nachdem der Kläger darauf innerhalb gesetzter Frist nicht reagierte, wies das Landgericht seine Berufung mit Beschluss vom 03.07.2023 unter Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss vom 31.05.2023 zurück.
Vom Grundsatz her war die Verjährung bei Einreichung einer Klage am 25.12.2021 noch nicht eingetreten, da Verjährungsablauf der 31.12.2021 war. Streitig war im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung, ob die unvollständige Klage geeignet war, den Eintritt der Verjährung zu hemmen, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Vorliegend entsprach aber die Klageschrift, so wie sie eingereicht wurde, nicht den prozessualen Anforderungen, was erst nach dem Hinweis durch das Amtsgericht im Januar geheilt wurde.
Das Landgericht wies in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht darauf hin, dass ein elektronisches Dokument wie die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der den Schriftsatz verantwortenden Person versehen sein müsse oder aber von der verantwortenden Person (einfach) signiert sein müsse und ferner auf einem sicheren Übermittlungsweg (wie dem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“ (beA) eingereicht werden müsse, § 130a Abs. 3, Abs. 4 ZPO. Die Klageschrift, wie sie am 25.12.2021 auf einem sicheren Übermittlungsweg als elektronisches Dokument eingereicht wurde, war nicht qualifiziert signiert. Sie wurde nur mit einer Seite (der erste Seite) eingereicht, die auch nicht unterschrieben war. Die einfache Signatur hätte hier bei der elektronischen Übermittlung auf einem sicheren Übermittlungsweg ausgereicht, wäre aber auch erforderlich gewesen, § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO.
Eine Ausnahme von dem Erfordernis der einfachen Signatur habe hier auch nicht vorgelegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hinwies, er sei, wie aus seinem Briefkopf auf der übermittelten Seite der Klageschrift ersichtlich sei, als Einzelanwalt tätig, rechtfertige dies nicht die Annahme einer Ausnahme. Der BGH habe zwischenzeitlich mit Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 - entschieden, dass die einfache Signatur (z.B. durch maschinenschriftlichen Namenszug oder eingescannter Unterschrift) ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringe, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Fehle es daran, sei das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht worden. Auch wenn der Briefkopf darauf deute, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibe, schließe dies nicht aus, dass ein angestellter Rechtsanwalt tätig sei, ohne auf dem Briefbogen benannt zu sein; auch könnten freiberufliche Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sein. Entsprechend habe zudem auch bereits zuvor das BAG das BAG am 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - entschieden.
Das Fehlen des Namens am Ende des Dokuments (hier der ersten Seite) könne auch nicht durch einen eingangs des Dokuments benannten Namen des Rechtsanwalts ersetzt werden, da dennoch die Möglichkeit bestünde, dass der Schriftsatz von einer anderen Person (namentlich nichtanwaltlichen Personal oder einem externen Rechtsanwalt, der in anwaltlicher Vertretung tätig würde) stamme. Das könne ohne Beweisaufnahme nicht geklärt werden, die allerdings diesbezüglich ausgeschlossen sei.
Auch gehe die Annahme des Klägers fehl. Das Amtsgericht hätte ihn bereits im Zusammenhang mit der Übermittlung der Kostenrechnung für den Gerichtskostenvorschuss auf die fehlende Wirksamkeit der Klageerhebung hinweisen müssen. Die Bearbeitung des Klageverfahrens erfolge gem. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG erst nach Zahlung der angeforderten Gerichtskosten. Die Akte sei der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts erst nach Eingang des Vorschusses am 25.01.2022 vorgelegt worden.
Anmerkung: Rechtsanwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Schriftsätze (und dies gilt auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift) als elektronische Dokument den Gerichten auf einem sicheren Übermittlungsweg zuzuleiten (§ 130a ZPO). Diese müssen signiert werden (regelmäßig am Ende des Dokuments eine Namensangabe des verantwortenden Rechtsanwalts) oder mit einer qualifizierten Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen sein.
Nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.09.2021 verlängert worden war, leitete der Klägervertreter die Berufungsbegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) versehentlich an das Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Landgerichts, welches diese erst am 11.10.2021 an das Berufungsgericht weiterleitete. Unter Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) verwarf das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig. Dagegen wandte sich der Kläger erfolglos mit seiner Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH).
Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde zwar nach §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 238 Abs. 1 S. 1 ZPO für statthaft, aber wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO für unzulässig. So sei hier weder das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) verletzt noch der Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG).
Die Berufungsbegründung hätte bis zum 30.09.2021 bei dem Berufungsgericht eingehen müssen. Dies sei nicht erfolgt. Die Übersendung an das EGVP des Landgerichts könne die Frist nicht wahren. § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO bestimme, dass das elektronische Dokument, dessen sich der Rechtsanwalt bedienen muss, erst wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen sei, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das EGVP gespeichert worden sei, was mit der Übermittlung an das EGVP des Landgerichts nicht erfüllt würde. Das EGVP des Landgerichts sei nicht für den Empfang von Dokumenten für das Berufungsgericht bestimmt. Der Umstand, dass sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht als Intermediär die Dienste des Landesbetriebs Information und Technik Nordrhein-Westfalen in Anspruch nähme könne daran nichts ändern, da beide Gerichte kein gemeinsames EGVP unterhalten, vielmehr durch entsprechende separate Posteingangsschnittstellen gesichert sei, dass der „Client“ eines Gerichts jeweils nur auf die an dieses Gericht adressierten Nachrichten zugreifen könne.
Der Kläger sei auch nicht ohne Verschulden iSv. § 233 S. 1 ZPO verhindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, weshalb keine Wiedereinsetzung erfolgen könne; der Kläger habe sich das Verschulden seines Rechtsanwalts zurechnen zu lassen. Der Rechtsanwalt habe sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten würden denjenigen bei (wie früher noch möglicher) Übersendung per Telefax entsprechen, weshalb es auch bei Nutzung des beA notwendig sei, den Versandvorgang zu überprüfen. Die nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO übermittelte automatisierte Bestätigung müsse kontrolliert werden und so geprüft werden, ob nach dem Sendeprotokoll die Übersendung an den richtigen Empfänger erfolgte. Diese Kontrolle habe der Rechtsanwalt selbst vorzunehmen, wenn er die Versendung des fristwahrenden Schriftsatzes übernehme. Vorliegend habe aber der Klägervertreter lediglich geprüft, ob die Übermittlung „erfolgreich“ gewesen sei (was im Sendprotokoll auch ausgewiesen wird), nicht aber, ob die Versendung an das richtige Gericht vorgenommen wurde.
Eine Wiedereinsetzung käme schon dann nicht in Betracht, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Versäumung der Frist auf dem festgestellten Verschulden beruht. Im fall der irrtümlichen Übermittlung der Berufungsbegründung an das erstinstanzliche Gericht wirke sich das Verschulden einer Partei bzw. ihres Verfahrensvertreters nicht aus, wenn der Schriftsatz so zeitig bei dem falschen Gericht eingehen würde, dass eine fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden könne. Hier sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, der Kläger (Klägervertreter) habe nicht erwarten könne, dass bei einer nur einen Tag vor Fristablauf eingehenden Berufungsbegründung im EGVP eines unzuständigen Gerichts der Schriftsatz rechtzeitig an das Berufungsgericht weitergeleitet würde; diese Erwägung würde keinen Rechtsfehler erkennen lassen.