Rechtsprechung

Bank- und Kreditrecht


Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode

BGH, Urteil vom 12.03.2024 - XI ZR 159/23 -

Der Kläger nahm bei einem Immobiliar-Darlehensvertrag eine vorzeitige Darlehensrückzahlung vor, für die die beklagte Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von € 33.317,74 berechnete und die vom Kläger gezahlt wurde. Seine Klage auf Rückzahlung hatte erstinstanzlich in Höhe von € 2.750,93 Erfolg. Das berufungsgerecht wies die Berufung der Beklagten insoweit zurück. Die zugelassene Revision führte zur Klageabweisung insgesamt. Nach Ansicht des BGH hatte die Beklagte die Vorfälligkeitsentschädigung insgesamt mit Rechtsgrund erlangt.

 

§ 490 Abs. 2 S. 3 BGB verpflichte den Darlehensnehmer dem Darlehensgeber den Schaden zu ersetzen, der diesem aus einer vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrages entstünde (Vorfälligkeitsentschädigung). Dabei könne eine Bank den Schaden nach der Aktiv-Aktiv-Methode wie auch nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnen (BGH, Urteil vom 01.07.1007 - IX ZR 267/96 -). Bei der vorliegend von der Bank gewählten Aktiv-Passiv-Methode würde der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Darlehensvertrages tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite darstellen, die sich aus der laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sichere Kapitalmarkttitel ergäbe. Dieser Differenzbetrag sei um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Vorfälligkeitsentschädigung abzuzinsen.

 

Zutreffend habe das Berufungsgericht die Rendite laufzeitkongruenter Hypothekenpfandbriefe zugrunde gelegt (entnommen der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank). Diese liefere eine gesicherte Grundlage tatsächlich durchgeführter Wertpapiergeschäfte. Würde dort der Markt mit einem negativen Wiederanlagezins abgebildet, bedeute dies, dass die Bank mit dem vorzeitig zurückgeführten Darlehensbetrag bei einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen keine Vorteile erwirtschafte, sondern einen Schaden erleide.

 

Fehlerhaft sei dieser Schaden vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt worden.  Da der Darlehensgeber bei der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens so gestellt werden solle, wie er bei einer Durchführung des Darlehensvertrages über die Festschreibungszeit stünde, sei aber dieser Schaden bei der Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen. Der mit er Aktiv-Passiv-Methode berechnete Zinsverschlechterungsschaden umfasse daher auch bei einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfadbriefen anfallende negative Renditen, die Ausdruck der im Rückzahlungszeitpunkt bestehenden Zinslandschaft seien, der sich die Bank aufgrund der vorzeitigen Vertragserfüllung ausgesetzt sehe (u.a. OLG Frankfurt, Urteil vom 26.10.2022 - 3 U 201/21 -).

 

Die Bank habe ein Wahlrecht, ob sie die Aktiv-Aktiv-Methode oder die Aktiv-Passis-Methode anwende, wobei die Aktiv-Passis-Methode der Bank darüber hinweghelfe, dass es einer Bank häufig nicht möglich oder zumutbar sei, durch eine vorzeitige Darlehensablösung frei gewordene Darlehensmittel laufzeitkongruent in gleichartige Darlehen anzulegen (dann wäre die Aktiv-Aktiv-Methode möglich). Die Aktiv-Passiv-Methode gestattet es mithin der Bank, ihre Nichterfüllungsschaden oder ihre Vorfälligkeitsentschädigung auf Grundlage einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in sicheren Kapitalmarkttiteln zu berechnen.

 

 

Die abstrakte Schadensberechnung nach der Aktiv-Passiv-Methode würde auch keinen Verstoß gegen das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot darstellen. Die sei den Besonderheiten des Geschäftsbetriebs von darlehensgebenden Banken geschuldet und verhindere, dass materielle Ersatzansprüche durch praktisch nicht erfüllbare Beweisanforderungen ihre Wirkung verlieren würden (was das Berufungsgericht verkannt habe). 


Darlehens-Rückzahlungspflicht wegen zugerechneter Kenntnis von Darlehensaufnahme

BGH, Urteil vom 26.09.2023 - XI ZR 98/22 -

Die (damaligen) Eheleute unterhielten bei der P-Bank ein gemeinsames Konto, auf welches die Klägerin (eine Bank) einen Betrag von € 3.490,00 in der Annahme überwies, damit die Auszahlung eines dem Beklagten gewährten Darlehens vorzunehmen. Der Beklagte hatte allerdings mit der Klägerin keinen Darlehensvertrag geschlossen. Vielmehr hatte diesen unter seinen Namen seine Ehefrau abgeschlossen, der im Wege des Postident-Videoverfahrens die Kreditunterlagen übersandt wurden und die Klägerin die Antragsunterlagen nebst Kopien von Lohnabrechnungen, des Personalausweises des Beklagten, der Bankkarte und von Kontounterlagen erhielt. Bei dem Post-Identverfahren trat des der Stiefvater der Ehefrau unter Vorlage des Personalausweises des Beklagten auftrat. Die Unterschrift auf dem Kreditvertrag wurde von der Ehefrau des Beklagten gefälscht. Nach Kündigung des vermeintlichen Darlehensvertrages wegen Zahlungsverzugs durch die Klägerin wurden Teilzahlungen in Höhe von € 1.055,20 geleistet. Mit der Klage begehrte die Klägerin Zahlung restlicher € 2.434,80 nebst Zinsen. Das Amtsgericht gab der Klage statt, Auf die Berufung des Beklagten wurde vom Landgericht die Klageabgewiesen. Im vom Landgericht zugelassenen Revisionsverfahren hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und wies die Berufung des Beklagten gegen die amtsgerichtliche Entscheidung zurück.

 

Soweit das Berufungsgericht gem. § 241a Abs. 1 BGB in der „Darlehensvaluta“ eine sonstige unbestellte Leistung sah oder es sich nach Klägerauffassung um die Erfüllung eines nicht unter § 241a Abs. 1 BGB Scheinvertrages handeln sollte, ließ dies der BGH auf sich beruhen, da auch dann, wenn § 241a Abs. 1 greifen würde, die gesetzlichen Ansprüche der Klägerin nicht § 241a Abs. 2 Fall 2 BGB nicht ausgeschlossen wären. Nach § 241a BGB wird bei der Lieferung unbestellter Leistungen ein Anspruch gegen den Empfänger nicht begründet. § 241a Abs. 2 2. Fall BGB bestimmt, dass die Ansprüche nicht gem. Abs. 1 ausgeschlossen seien, wenn der Empfänger die irrige Leistung erkannt habe oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Eine unionsrechtliche Auslegung der Norm käme aufgrund des eindeutigen Willens des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/2658 S. 46) nicht in Betracht (was vom BGH sodann näher ausgeführt wurde).  Eine richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dürfe nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt einer Norm neu bestimmt würde; der Richter dürfe seien eigene Gerechtigkeitsvorstellung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (BVerfG, Beschluss vom 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06 -).

 

Die in § 241a Abs. 2 2. Fall BGB benannte Kenntnis des Beklagten sie hier anzunehmen, da ihm in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis seiner Ehefrau von der irrigen Vorstellung einer „Bestellung auf Seiten der Klägerin“ zuzurechnen sei.

 

Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB (bei Folgen von Willenserklärungen und Willensmängeln, Kenntnis und Kennenmüssen ist nicht auf den Vertretenen, sondern seinen Vertreter abzustellen) der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen sei, dass sich (unabhängig von einem Vertragsverhältnis) derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraue,  das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen müsse (BGH, Urteil vom 25.02.1982 - VII ZR 60/81 -).

 

Vorliegend habe das Landgericht festgestellt, dass sich bis zur Trennung der Eheleute die Ehefrau um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert hatte. Damit habe sie bei der Vornahme und Abwicklung von Geldgeschäften eine tatsächlich ähnliche Stellung wie ein Vertreter gehabt. Der Beklagte habe sich insoweit bewusst von seiner Ehefrau in ähnlicher Weise repräsentieren lassen wie durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter.  Nur da sich der Beklagte um das gemeinschaftliche Konto nicht gekümmert habe, habe die Ehefrau den Irrtum bei der Klägerin hervorrufen können, mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag abgeschlossen zu haben, und die Klägerin ohne Wissen des Beklagten veranlassen können, auf das gemeinschaftliche Konto die vermeintliche Darlehensvaluta auszuzahlen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Ehefrau mit Aufnahme des Darlehens unter dem Namen des Beklagten gegen Befugnisse aus dem Innenverhältnis der Eheleute verstoßen habe.

 

Damit habe die Klägerin einen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch, der hier nicht durch § 241a BGB ausgeschlossen sei. Der Beklagte könne dem auch nicht einen Schadensersatzanspruch wegen unsorgfältiger Durchführung des Video-Identifizierungsverfahrens entgegenhalten. Der Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB in Höhe von € 2.434,80, der Differenz zwischen dem auf das Konto überwiesenen Betrag und den nach der Kündigung erfolgten Teilzahlungen sei gegeben.

 

Die Beklagte sei durch die Überweisung auf das Konto, mit dem die Klägerin den vermeintlich mit dem Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag erfüllen wollte, durch Leistung der Klägerin ungerechtfertigt bereichert worden, da durch das Handeln der Ehefrau unter dem Namen des Beklagten zwischen den Parteien kein Darlehensvertrag zustande kam. Mangels Nachweises, dass die Ehefrau des Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages und Unterzeichnung der Auszahlungsanweisung unter dem Namen des Beklagten in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht gehandelt habe (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB analog), sei ihm deren Handeln nicht für den Vertragsabschluss zuzurechnen, und er habe diesen Vertragsabschluss auch nicht genehmigt (§ 167 BGB analog). Auch lägen nicht die Voraussetzungen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht vor; es sei nicht festgestellt und auch nicht von der Klägerin geltend gemacht worden, dass die Teilzahlungen von ihm erfolgten.  

 

Eine Entreicherung nach § 819 Abs. 1 BGB könne der Beklagte auch nicht einwenden, auch wenn die Ehefrau den Betrag abgehoben habe, bevor der Beklagte von dem Zahlungseingang erfahren habe. Der Ehefrau sie bekannt gewesen, dass der Betrag von der Klägerin als Darlehen gewährt wurde und zurückzuzahlen sei. Diese für § 819 Abs. 3 BGB ausreichende Kenntnis seiner Ehefrau müsse sich der Beklagte wie im Rahmen von § 241a BGB in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.  

 

 

Dem Beklagten stünde ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nicht zu, den er nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB wegen mangelhafter Sorgfalt bei der Indentifizierung entgegenhalten könnte. Soweit er einem Bereicherungsanspruch der Klägerin ausgesetzt sei, ergäbe sich aus §§ 814, 815 BGB, dass einem solchen Anspruch nur die positive Kenntnis des Bereicherungsgläubigers (der Klägerin) entgegengehalten werden könne. Fahrlässige oder auch grob fahrlässige Unkenntnis auf Seiten der Klägerin seien unerheblich. Dies könne nicht durch eine unsorgfältige Prüfung der Identität des Empfängers vor der Leistungserbringung durch einen Schadenersatzanspruch überspielt werden. 


Bearbeitungsentgelt für Berechnung einer Darlehens-Nichtabnahmeentschädigung

BGH, Urteil vom 08.06.2021 - XI ZR 356/20 -

Die Parteien (der Kläger war der Bundesverband der Verbraucherzentralen und  -verbände, die Beklagte eine Sparkasse) stritten über eine Klausel der Beklagten in deren Preis- und Leistungsverzeichnis „für Dienstleistungen im standardisierten Geschäftsverkehr“ für Privat- und Geschäftskunden, in der es zu „Dienstleistungen bei Krediten und Darlehen“ hieß: „Bearbeitungspreis für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung, es sei denn, der Kunde weist nach, dass kein oder ein geringerer Aufwand entstanden ist - € 50,00“.

 

Der Kläger sah die Klausel im Hinblick auf den Bearbeitungspreis für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung als unangemessen und daher unwirksam an. Klage und Berufung zu dieser Klausel hatten keinen Erfolg. Ihre Revision wurde zurückgewiesen.

 

Der Anspruch wäre nach § 1 UKlaG begründet gewesen, wenn die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 1 S. 1 BGB nicht standgehalten hätte. Davon ging der BGH nicht aus.

 

Er verwies darauf, dass der Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung ein Schadensersatzanspruch sei, der auch die Kosten seiner Ermittlung umfassen würde. Die Klausel sei nicht so zu verstehen, dass die Beklagte die Entschädigung unter Einschluss der Berechnungskosten bemessen könne und daneben noch gesondert die Berechnungskosten geltend machen könne. Dass hier ein Schadensersatzanspruch gemeint sei ergäbe sich auch aus dem Zusatz, dass der Betrag unter dem Vorbehalt stünde, dass der Kunde den Nachweis eines geringeren Schadens erbringen könne. Bei nicht lediglich deklaratorischen Klauseln oder solchen, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine vertragliche nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen, käme eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht in Betracht.

 

Anders sei dies aber bei Klauseln wie hier, mittels derer allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten der Tätigkeiten im eigenen Interesse des Verwenders geregelt würden. Der Regelungsinhalt sei durch Auslegung ihres objektiven Inhalts und dem typischen Sinn zu ermitteln. zu ermitteln. Danach handele es sich um eine Pauschalierung eines Schadensersatzanspruchs (nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 und § 281 BGB wegen Nichtabnahme des vereinbarten Darlehens) und nicht um eine Preisnebenabrede. Der Terminus „Nichtabnahmeentschädigung“ beziehe sich auf den durch die Nichtabnahme des Darlehens durch den Darlehensnehmer begründeten Schaden. Dieser Schaden müsse berechnet werden, wobei diese Kosten mit von dem durch die Nichtabnahme begründeten Schadensersatzanspruch umfasst würden.  

 

Der Schaden würde für die Berechnung würde hier als „Schaden/Aufwand“ bezeichnet. Dies würde keine Ausdehnung der Klausel über den Anwendungsbereich als reiner Schadensersatzanspruch führen, sondern mit „Aufwand“ nur die durch eine freiwillige Leistung des Geschädigten verbundenen Kosten näher darstellen.

 

Eine weitergehende Bedeutung würde der Klausel nicht zukommen, insbesondere auch nicht Fälle einer Kündigung des Darlehens gem. §§ 489, 490 oder 500 Abs. 1 BGB bzw. eine vorzeitige Rückzahlung der Valuta nach § 500 Abs. 2 BGB regeln. Es würde nur die Nichtabnahme des Darlehens gegenständlich sein.

  

Gegen die Angemessenheit der Klausel hatte der BGH keine Bedenken (§ 305 Nr. 5 Buchst. a BGB) und sie würde auch den Anforderungen des § 309 Nr. 5 b BGB genügen.


Verbraucherdarlehen: Vermieter kann auch bei Option zur Umsatzsteuer Verbraucher sein

BGH, Urteil vom 03.03.2020 - XI ZR 461/18 -

Die Parteien hatten Ende Januar 2007 einen Darlehensvertrag „für private Zwecke und für Existenzgründung“ geschlossen. Die Mittel waren zum Kauf und zur Sanierung einer Immobilie bestimmt. Wegen der (beabsichtigten) Mieteinnahmen optierte der Kläger zur Umsatzsteuer. Der Darlehensvertrag wurde vorzeitig zum 30.12.2013 beendet. Dr Kläger leistete an die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung. Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerrief der Kläger seine auf Abschluss eines Darlehensvertrages (vom Januar 2007) gerichtete Willenserklärung und forderte sodann die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zurück. Die Klage war (im Wesentlichen) in den zwei ersten Instanzen erfolgreich. Der BGH hob auf die Revision der Beklagten das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

 

Das OLG hatte darauf abgestellt, der Kläger sei Verbraucher, weshalb ihm ein Widerrufsrecht zugestanden hätte. Das Widerrufsrecht sie auch nicht verwirkt.

 

Der BGH bestätigte, dass der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht Unternehmer iSv. § 14 BGB, sondern Verbraucher iSv. § 13 BGB gewesen sei. Verbraucher sei derjenige, der ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließe, welches weder seiner gewerblichen noch beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden könne. Die Verwaltung eigenen Vermögens stelle keine gewerbliche Tätigkeit dar. Der Erwerb oder die Verwaltung einer Immobilie gehöre auch zur Verwaltung eigenen Vermögens. Dabei könne die Aufnahme von Fremdmitteln bei Immobilienerwerb der ordnungsgemäßen Verwaltung zugeordnet werden. Ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung sei der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte. Wenn diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordern würden (was bei Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation der Fall sei), so sei von einer gewerblichen Betätigung iSv. § 14 BGB auszugehen, und zwar unabhängig von der Höhe des Vermögens.

 

Soweit in diesem Zusammenhang das Landgericht aus dem Umstand, dass der Kläger mit dem Mietobjekt zur Umsatzsteuer optierte, nicht als Kriterium für die Entscheidung zur Unterscheidung zwischen privater Vermögensverwaltung und unternehmerischer Tätigkeit ansah, wurde dies vom BGH als zutreffend angesehen. Dies habe auch nicht erkennen lassen, dass der Kläger ggf. den Darlehensvertrag als nach § 507 BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung als „privilegierter Existenzgründer“ (und damit Unternehmer iSv. § 14 BGB) geschlossen habe. Der im Umsatzsteuerrecht verwandte Unternehmerbegriff nach § 2 UStG, der Grundlage des Umsatzsteuerrechts sei,  sei autonom und ohne Rückgriff auf Definitionen in anderen Rechtsvorschriften auszulegen. Der BFH habe entscheiden, dass der Unternehmerbegriff des § 2 UStG auch die Vermietung und Verpachtung im Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung erfasse (BFHE 167, 215, 217; BFHE 223, 487, 489). Zu §§ 13 und 14 BGB sei seit langem anerkannt, dass die Vermietung und Verpachtung der privaten Vermögensverwaltung diene, erfordere diese keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb, weshalb alleine der Umstand, dass er auf der Grundlage des Unternehmerbegriffs des Umsatzsteuerrechts für die Umsätze aus Vermietung und Verpachtung nach §§ 2 Abs. 1, 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. 1 und 9 Abs. 1 UStG von Fall zu Fall zur Umsatzsteuer optiere.

 

 

Damit habe der Kläger auch ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB.


Bankenhaftung bei Sittenwidrigkeit des Kaufpreises einer Immobilie ?

BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - XI ZR 535/17 -

2010 verlangten die Kläger von der Verkäuferin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Die Klage war erfolgreich, da die Wohnung nach einem vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten lediglich einen Verkehrswert von € 10.500,00 habe und damit der Kaufpreis in sittenwidriger Weise überhöht gewesen sei. Die Verkäuferin meldete Insolvenz an.

 

Mit der Klage gegen die Beklagte begehrten die Kläger die Rückzahlung des von ihnen bis dahin auf das Darlehen Betrages von € 18.765,24. Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung der Kläger zum Kammergericht (KG) war erfolgreich. Dabei stütze sich das KG auf ein eingeholtes Gutachten, nah dem nach der von diesem zugrunde gelegten Vergleichswertmethode der Verkehrswert € 20.600,00 betrage, was aber nicht überzeugend sei, da es an der notwendigen Vergelcihbarkeit einer entsprechenden Anzahl von Objekten ermangele. Der Sachverständige habe den Ertragswert mit € 12.072,00 ermittelt, und daraus sei ein Mittwelt zu bilden, weshalb eine Überteuerung eine Überteuerung von 90% anzunehmen sei.

 

 Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten  hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

 

Rechtsfehlerfrei sei das KG davon ausgegangen, dass eine Bank ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht über die Unangemessenheit des von ihr finanzierten Kaufpreises unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs träfe, wenn eine so wesentliche Verschiebung der Relation zwischen Kaufpreis und Verkehrswert vorläge, dass die Bank von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen müsse (BGH, Urteile vom 16.02.2006 - XI ZR 6/04 -, vom 19.06.2010 - XI ZR 145/14 - und vom 18.10.2016 - XI ZR 145/14 -).  Dies sei bereits  anzunehmen, wenn der Kaufpreis (ohne Berücksichtigung von darin enthaltenen Nebenkosten) knapp doppelt so hoch sei wie der Verkehrswert.

 

Vorliegend habe allerdings das KG das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Beklagten verletzt, da es vorliegend von der Beurteilung des beauftragten Sachverständigen abwich, demzufolge der Verkehrswert der Wohnung sachgerecht nach dem Vergleichswertverfahren zu ermitteln sei, ohne ein weiteres Gutachten nach § 412 Abs. 1 ZPO einzuholen und ohne Nachweis eigener Sachkunde eine eigene Wertermittlung vorgenommen habe, zumal es, wenn es eigene Sachkunde für sich in Anspruch nähme, die Parteien vorher darauf hinweisen müsse, was nicht erfolgt sei. Das rechtliche Gehör der Beklagten sei verletzt worden, da das KG bei der Wertermittlung einen Mittelwert von Vergleichswert und Ertragswert angenommen habe.

 

Die Auswahl der  geeigneten Wertermittlungsmethode stünde, wenn nicht das Gesetz ein bestimmtes Verfahren vorsieht, im Ermessen des Tatrichters. Allerdings sei es unzulässig, schematisch einen rechnerischen Mittelwert zwischen Vergleichswert und Ertragswert zu bilden (BGH, Urteil vom 13.07.2970 - VII ZR 189/68 -).

 

Wenn, wie hier, der gerichtlich bestellte Sachverständige die Voraussetzungen für eine verlässliche Verkehrswertermittlung nach Vergleichswerten bekundet, könne das Gericht nicht an dem Ergebnis vorbeigehen, auch wenn eine andere Wertermittlungsmethode zu einem deutlich anderen Ergebnis führe. Dies gelte insbesondere dann, wenn es um die Frage der Sittenwidrigkeit gehen würde, da nach der Rechtsprechung würde auf der objektiven Grundlage eines besonderen Missverhältnisses den Schluss auf das subjektive Unrechtsmerkmal der verwerflichen Gesinnung ziehen. Hierfür sei aber keine Grundlage gegeben, wenn der direkte Vergleich mit dem maßgeblichen Markt, den die Auswertung der tatsächlich erzielten Preise bei Vorliegen hinreichenden Vergleichsmaterials leiste, zur Verneinung eines besonderen Missverhältnisses führe (BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 213/03 -).

 

Damit würden die Ausführungen des Landgerichts zu der die Aufklärungspflicht auslösenden Kenntnis auch das rechtliche Gehör der Beklagten verletzen. Eine positive Kenntnis der Bank von der sittenwidrigen Überteuerung sei erforderlich, ohne dass die Bank eigene Nachforschungen betreiben müsse. Sie sei also nicht verpflichtet, zu Vermeidung etwaiger eigener Risiken sich einen (dann zu offenbarenden) Wissensvorsprung zu verschaffen. Ausnahmsweise stünde die bloße Erkennbarkeit einer aufklärungsbedürftigen Tatsache der positiven Kenntnis dann gleich, wenn sich einem zuständigen Bankenmitarbeiter dies nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen müsse, da er nicht berechtigt sei, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Schon danach sei der Ausgangspunkt der Erwägungen des KG zur monatlichen Bruttokaltmiete falsch, die Bank hätte eine einfache Überschlagsrechnung zum Ertragswert durchführen müssen, woraus sich bereits die Sittenwidrigkeit des Kaufpreises hätte aufdrängen müssen, da dies eine Art der nicht notwendigen Nachforschung darstelle. Wertermittlungen, die die Bank im eigenen Interesse vornähme, würden den Beleihungswert betreffen, um so die Realisierung ihrer Forderung im Falle einer Zwangsversteigerung einschätzen zu können. Eine Kontrolle dieser internen Bewertung anhand der prognostizierten Erträge schulde weder die Bank noch der Verkäufer. Die Bank träfe nicht die Verpflichtung den Käufer auf eine Unwirtschaftlichkeit hinzuweisen.


Zum Schadensersatzanspruch der Bank bei berechtigter Kündigung eines Darlehens

BGH, Urteil vom 20.02.2018 - ZR 445/17 -

Zu Finanzierung einer Immobilie hatten B. und N. bei der Beklagten vier Darlehen in 2007  mit unterschiedlichen Darlehensbeträgen, Zinsen und Laufzeiten aufgenommen. Ein Darlehen sollte im Februar 2042 endfällig sein; im übrigen handelte es sich um Annuitätsdarlehen. Ein Sicherung der Darlehen erfolgte durch Grundschulden auf der Immobilie. In 2012 kündigte die Beklagte die Darlehen außerordentlich wegen Zahlungsverzugs (ein Darlehen) bzw. wegen wesentlicher Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse (drei Darlehen). Auf die jeweilige Restvaluta verlangte die Beklagte Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz sowie Erstattung von Refinanzierungsschäden auf drei der Darlehen. Sie betrieb aus den Grundschulden das Zwangsversteigerungsverfahren; während des Verfahrens erfolgte ein Verkauf der Immobilie mit Zahlung an die Beklagte. Von dem Kaufpreis behielt die Beklagte neben den Verzugszinsen ab Kündigung bis zur Rückführung der Darlehensvaluten einen weiteren Betrag von € 245.703,18 für Refinanzierungsschäden ein. Die Refinanzierungsschäden hatte sie für die Zinsforderungen anhand der erzielbaren Wiederanlagezinsen und abgezinst auf das Datum der Wirksamkeit der Kündigungen berechnet. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin als Nachlassverwalterin des verstorbenen B. den als Vorfälligkeitsentschädigung einbehaltenen Betrag von € 245.703,18 nebst Rechtshängigkeitszinsen und vertrat die Ansicht, es handele sich um Verbraucherdarlehensverträge, weshalb der Beklagten wegen der Sperrwirkung des § 497 Abs. 1 BGB keine Vorfälligkeitsentschädigung zugestanden habe. Das Landgericht hatte der Klage in Höhe von € 83.501,12 nebst Zinsen (auf Zahlung an die Klägerin als Gesamtgläubigerin mit N.) stattgegeben; auf die Berufung beider Parteien wurde die Klage insgesamt abgewiesen. Der BGH hob auf die Revision der Klägerin das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück.

 

Entgegen der Ansicht der Klägerin bejahte der BGH einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung aus §§ 380 Abs. 1 und 3, 281 BGB. Bei einem Darlehensvertrag mit fester Laufzeit habe die kreditgebende Bank bei Kündigung aus wichtigem Grund einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die vorzeitige Beendigung des Vertrages entstünde. Hier hätten die Darlehensnehmer ihrer Zahlungsverpflichtung nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB nicht genügt. Damit seien die Kündigungen aller Darlehensverträge gerechtfertigt gewesen. Dem stünde nicht entgegen, dass die Klägerin gemäß ihren AGB für die zweite Kündigung (von drei Darlehensverträgen) auf eine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 490 Abs. 1 BGB  abgestellt habe. Die  Nichterfüllung der Zins- und Tilgungsbestimmungen aus dem ersten (gekündigten) Darlehensvertrag sei adäquat kausal für die weiteren Kündigungen gewesen und habe nicht lediglich in einer lediglich äußerlichen Verbindung zu dem Zahlungsverzug gestanden, sondern in einem inneren Zusammenhang.

 

Die wirksame Kündigung führe dazu, dass der Darlehensgeber keinen Anspruch ehr auf den vertraglich vereinbarten Zins nach Wirksamwerden der Kündigung habe (BGH vom 08.02.2000 - XI ZR 313/98 -).  Dem Darlehensgeber stehe wahlweise ein Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 1,und 2, 281 BGB.

 

Vorliegend handele sich auch nicht um eine Verbraucherkreditvertrag gem. § 497 Abs. 1 BGB (in der bis 20.06.2010 geltendem Fassung), § 492 Abs. 1a S. 2 BGB a.F., da die Tätigkeit der Darlehensnehmer B. und N. eine gewerbliche Verwaltung eigenen Vermögens dargestellt habe. Der Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen organisatorischen und zeitlichen Aufwendungen vermittle das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs (1 Immobilienobjekt mit 2 Wohnungen und einer Gaststätte, ein Einfamilienhaus , ein Objekt mit 6 Wohnungen, 1 Objekt mit 9 Apartments zur tageweisen Anmietung und 2 Apartments für Mitarbeiter).

 

Für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung könne auch auf den Zeitpunkt des Wriksamwerdens der Kündigung der jeweiligen Darlehen abgestellt werden.  Dies sei Folge der durch § 281 Abs. 1 BGB ermöglichten Umwandlung des Leistungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Im Falle einer hier vorliegenden abstrakten Schadensberechnung sei dies der Zag der Entstehung des Schadensersatzanspruchs.

 

Allerdings sei die Revision insoweit begründet, als sie sich gegen die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch das OLG wende. Stelle der Darlehensgeber das Darlehen fällig und verlange er die offene Darlehensvaluta in voller Höhe zurück, könne er (neben möglichen Zahlungsrückständen) nur diese und mögliche weitere Verzugszinsen nach den allgemeinen Regeln begehren. Mache er aber neben Zahlungsrückständen und darauf beschränkten Verzugsschäden Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend, könne er verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Vertrages durch den Darlehensnehmer gestanden hätte.

 

Im letzteren Fall bedürfe es zur Berechnung des Schadens eines Vergleichs zwischen den Vermögenslagen

  1. bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Darlehensnehmer
  2. der durch die Nichterfüllung entstandenen tatsächlichen  Vermögenslage.

Die Vorfälligkeitsentschädigung sei daher auf der Grundlage des bisherigen Vertragszinses zu berechnen, bezogen auf das noch offene Darlehenskapital  und beschränkt durch eine rechtlich geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers. Denn der Darlehensgeber solle so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn das Darlehen während der Festschreibungsfrist ordnungsgemäß bedient worden wäre. Bei der von der Beklagten angewandten Aktiv-Passiv-Methode (auch möglich wäre die Aktiv-Aktiv-Methode) stelle sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen den Zinsen dar, die der Darlehensnehmer bei der Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt habe und der Rendite, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergäbe. Der so ermittelte Differenzbetrag sei um die ersparte Risikovorsorge und die ersparten jährlichen Verwaltungskosten zu kürzen.

 

Das bedeute, dass der Schadensersatz statt Leistung so berechnet werden könne, dass die ab dem Tag des Wirksamwerdens der Kündigung noch geschuldeten Zahlungen aus Zins- und Tilgungsleistungen ermittelt würden, davon die Beträge für ersparte Risikovorsorge und jährlicher Verwaltungsaufwand abgezogen würden und sodann eine Abzinsung erfolge. Bei der Abzinsung sei der Zinssatz anzusetzen, der auf dem Kapitalmarkt bei einer laufzeitkongruenten Anlage zu erzielen wäre.

 

 

Diesen Vorgaben sei das Urteil des OLG nicht gerecht geworden. Dort sei die nicht abgezinste Restdarlehensvaluta zugrunde gelegt worden und daneben (lediglich) für die entgangenen Zinszahlungen Schadensersatz statt Leistung gemäß dem Beklagtenvortrag zugrunde gelegt worden. Die Beklagte habe die zwei Schadensarten (Geltendmachung von Verzögerungsschaden und Schadensersatz statt der Leistung) unzulässig vermischt. 


Auch nach Rückführung des Darlehens kann noch der Widerruf durch den Darlehensnehmer erfolgen

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.08.2015 - 17 U 202/14 -

Dem OLG Frankfurt lag ein  Rechtsstreit zur Entscheidung vor, in dem der klagende Darlehensnehmer ein Darlehen aufgenommen hatte, diesen aber  - nachdem bereits die Rückzahlung erfolgte widerrief und seine Zahlungen von der Beklagten zurückverlangte.Sein Begehren war erfolgreich.


Die Beklagte hatte eingewandt, sie habe ordnungsgemäß eine Widerrufsbelehrung vorgenommen. Dem folgten Land- und Oberlandesgericht nicht. In der Widerrufsbelehrung wurde aufgenommen, der Widerruf wäre „frühestens“ möglich mit Erhalt der Belehrung. Dadurch aber wird dier Fristbeginn nicht eindeutig mitgeteilt (so bereits BGH im Urteil vom 15.08.2012 – VIII ZR 378/11 -). Auch könne sich die Beklagte vorliegend nicht auf § 14 Abs. 2 und 2 BGB InfoV berufen, da das Verwandte Formular nicht dem Muster in der damals gültigen Fassung entsprach.


Ebenso könne sich die Beklagte nicht auf eine Verwirkung berufen. Verwirkung, dessen Grundlage die unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB ist, setzt einen längeren Zeitablauf (Zeitmoment) und zudem besondere Umstände, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, voraus.  Ein derartiger Fall läge hier nicht vor.

Zwar wäre 9,5 Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages und vier Jahre nach dessen Rückzahlung das Zeitmoment erfüllt. Es fehle aber an dem Umstandsmoment. Außer der Rückführung des Darlehens habe sich für die Beklagte kein Umstand ergeben, aus dem heraus sie annehmen durfte, der Kläger würde nicht (noch) von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen.