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Auf dieser Homepage werden Entscheidungen und Hinweise zu Rechtsentwicklungen in der Regel nur kurz dargestellt. Es werden Verweise auf unsere anderweitigen Publikationen (qua Link) erfolgen, damit der interessierte Leser dort weiterlesen kann.
Im nachfolgenden Blog sind die neuesten auf dieser Seite veröffentlichten Entscheidungen kurz (mit einem Link zu ihnen) dargestellt.
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Die Links zu den Blogbeiträgen führen auf die entsprechende Seite, auf der in der Regel mehrere Artikel finden. Die Blogbeiträge sind nach den Daten der besprochenen Entscheidungen sortiert, das jüngste Datum befindet sich immer oben. Die Überschriften der Beiträge entsprechend den Überschriften der Blogbeiträge.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.07.2024 - 4 U 266/24 -
Von den privaten Unfallversicherern werden die Voraussetzungen zur Feststellung von Invalidität und daraus möglichen Leistungen in Form von Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen vorgegeben (z.B. die schriftliche Feststellung der Invalidität durch einen Arzt) innerhalb einer bestimmten Frist ab dem Unfallereignis. Zeigt der Versicherungsnehmer der Versicherung einen Unfall an und belehrt der Versicherer den Versicherungsnehmer gem. § 186 VVG über die Voraussetzungen und einzuhaltenden Fristen für einen möglichen Anspruch, geht ein Fristversäumung zu Lasten des Versicherungsnehmers. Nur ausnahmsweise kann sich der Versicherungsnehmer auf eine Treuwidrigkeit berufen, wenn dem Versicherer deutlich wird, dass der Versicherungsnehmer noch Belehrungsbedarf hat, so wenn er Unterlagen einreicht, die zwar auf eine Invalidität deuten, nicht aber die schriftliche Feststellung derselben durch einen Arzt beinhalten; in diesem Fall muss der Versicherer noch einmal belehren, da ansonsten die Berufung auf den Fristablauf rechtsmissbräuchlich ist. Zu beachten ist auch, dass eine erst nach Fristablauf festgestellte Invalidität keinen Anspruch gegen den Versicherer rechtfertigt.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2024 - 22 U 96/23 -
Vereinbaren die Parteien in einem Werkvertrag die VOB/B gilt in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung, dass für erforderliche Zusatzleistungen § 2 Abs. 5 VOB/B greift. Für nicht erforderliche Zusatzleistungen gilt ohne gesonderte Vereinbarung § 2 Abs. 6 VOB/B; anzugrenzen ist diese Zusatzleistung im Rahmen von solchen, die für ein anderes Bauwerk als im Werkvertrag vorgesehen vereinbart werden, da dann ein Folgeauftrag vorliegt, der mangels Vergütungsvereinbarung nach § 631, 632 Abs. 2 BGB zu vergüten ist.
OLG Zweibrücken, Urteil vom 20.08.2024 - 8 U 47/24 -
Der nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch unterfällt nicht den Regelungen der §§ 249 ff BGB, da die Grundsätze der Enteignungsentschädigung gelten. Allerdings umfasst der nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auch keine Umsatzsteuer, wenn die Abrechnung nur fiktiv erfolgt. In Fällen der Kompensation sind Gründe nicht ersichtlich, über die für Schadensersatzansprüche geltenden Regelungen (§§ 249 ff BGB) hinaus eine noch nicht eingetretene Vermögenseinbuße auszugleichen.
BGH, Urteil vom 14.06.2024 - V ZR 8/23 -
Verträge über Grundstücke, Vermögen und den Nachlass bedürfen zur Wirksamkeit der notariellen Form (§ 311b BGB) und sind in Ermangelung derselben nicht (§ 125 BGB). Dies gilt auch für eine Vorauszahlungsvereinbarung in Bezug auf einen Grundstückskaufvertrag. Grundsätzlich gilt nach § 139 BGB die Vermutung, dass die Nichtigkeit den ganzen Vertrag erfasst (§ 139 BGB).
Die Auslegungsregel des § 139 BGB kann bei Vorliegen besonderer Umstände widerlegt werden. Weist der Käufer seine Zahlung auf die noch nicht bestehende Kaufpreisforderung nach, ist die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich die Parteien auch ohne die Abrechnungsabrede auf den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts eingelassen hätten; entscheidend ist, dass der Käufer aus seiner Sicht zweifelsfrei nachweisen kann, vor Vertragsschluss auf die noch nicht bestehende Kaufpreisschuld gezahlt zu haben. In diesem Fall ist der Kaufvertrag nicht nichtig und die Zahlung als bewirkt anzusehen, wobei im Hinblick auf § 812 BGB dem Käufer ein bereicherungsrechtlicher Erstattungsanspruch zusteht, mit dem er gegen die Kaufpreisforderung aufrechnen kann.
BFH, Urteil vom 13.12.2023 - VI R 30/21 -
Die Zweitwohnungssteuer wird von vielen Gemeinden aufgrund satzungsrechtlicher Regelung erhoben. Es sich um eine örtliche Aufwandssteuer iSv. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -). Sie fällt nach den satzungsrechtlichen Regelungen an, wenn ein Einwohner eine melderechtlich (§ 3 BMG) als Zweitwohnung dienende Wohnung inne hat. Damit stellt sich die Frage, ob und ggf. inwieweit sie als Werbungskosten von dem betroffenen Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Einkommensteuer berücksichtigt werden kann.
Zu den notwendigen, als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Mehraufwendungen zählen u.a. die notwendigen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort (so die Kaltmiete, bei einer Eigentumswohnung die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie Zinsen für Fremdkapital, die Betriebskosten einschließlich von Stromkosten). Diese Kosten sind mit einem Höchstbetrag von € 1.000/Monat bei der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Die Zweitwohnungssteuer berechnet sich nach dem jährlichen Mietaufwand, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zu erbringen hat, bzw., liegt dies unter der ortsüblichen Miete oder wird z.B. Eigentum genutzt, nach der ortsüblichen Miete. Sie ist ratierlich zu zahlen und damit von dem Höchstbetrag von € 1.000,00/Monat (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG) erfasst.
OLG München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -
Der Streitwert bestimmt auch den Gebührenanspruch auf Seiten des Nebenintervenienten. Tritt der Nebenintervenient nur zu einem abgrenzbaren Teil des Rechtsstreits bei, ist der Streitwert der Nebenintervention gesondert festzustellen und ist geringer als der Hauptsachestreitwert. Tritt er trotz eingrenzbaren Interesse dem Rechtsstreit nicht nur zu einem bestimmten Teil bei, so entspricht der Streitwert der Hauptsache dem Streitwert der Nebenintervention. Dass kann dadurch vermieden werden, dass der Streitverkünder die Streitverkündung auf einen bestimmten Teil des Verfahrens beschränkt, soweit dies möglich.
LG Saarbrücken, Urteil vom 16.05.2024 - 13 S 82/23 -
Das Landgericht hat sich in der Entscheidung mit dem neuen Stand der Rechtsprechung zum Nutzungsausfall nach einem Verkehrsunfall (hier im Fall einer gemischten Nutzung des Fahrzeug im betrieblichen Bereich und im privaten Bereich) auseinandergesetzt.
Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen ist Nutzungsentschädigung nur zu zahlen, wenn das Fahrzeug nicht unmittelbar den Gewerbeertrag steigert (in diesem Fall besteht Anspruch auf entgangenen Gewinn), durch den Ausfall aber einen fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist. Eine abstrakte oder an den Kosten der Vorhaltung eines Ersatzfahrzeuges berechnete Entschädigung scheidet aus.
Vorhaltekosten können nur geltend gemacht werden, wenn für den Fall des Ausfalls eines Fahrzeuges ein Ersatzfahrzeug gehalten wird.
Wird das beschädigte Fahrzeug gewerblich genutzt als auch (z.B. durch Überlassung an einen Mitarbeiter aufgrund der 1%-Regelung) privat (gemischte Nutzung), kann eine Nutzungsausfallentschädigung nur von dem Berechtigten der privaten Nutzung im Umfang der privaten Nutzung, die darzulegen ist, verlangt werden.
BVerfG, Beschluss vom 13.07.2024 - 1 BvR 1929/23 -
Erhebt der im Erbscheinverfahren unterlegene Antragsteller gegen den Beschluss wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Verfassungsbeschwerde, ist diese ohne vorherige Erbenfeststellungsklage im Hinblick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) unzulässig.
Im Erbscheinverfahren wird vom Nachlassgericht geklärt, auf wen der Erbschein ausgestellt wird. Der Erbschein beinhaltet nur die Vermutung, dass dem dort Benannten das Erbrechts zukommt (§ 2365 BGB), weshalb der rechtskräftigen Entscheidung keine formelle und materielle Bindungswirkung zukommt. Es kann nach dem Erbscheinverfahren jederzeit noch eine Erbenfeststellungsklage erhoben werden, wobei das Prozessgericht von der Entscheidung des Nachlassgerichts im Erbscheinverfahren abweichen kann.
BGH, Urteil vom 05.07.2024 - V ZR241/23 -
Durch die Neufassung des WEG seit dem 01.12.2020 können die Wohnungseigentümer nunmehr gem. § 27 Abs. 2 WEG im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz die gesetzlichen Rechte und Pflichten des Verwalters für das Innenverhältnis nach § 27 Abs. 1 WEG einschränken und erweitern. Soweit sie nach § 19 Abs. 1 WEG in Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung durch Beschluss entscheiden dürfen, können sie gem. § 27 Abs. 2 WEG ihre Entscheidungskompetenz auf den Verwalter übertragen.
Aus dem Gesetz ergibt sich, dass es nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, wenn die Wohnungseigentümer dem Verwalter über die ihm bereits durch Gesetz (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) eingeräumten Aufgaben und Befugnisse hinaus weitreichender auch die Kompetenz übertragen, Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung zu treffen, die übergeordnete Bedeutung haben oder zu erheblichen Verpflichtungen der GdWE führen.
Entscheidungsmaßstab für den Verwalter sei, unabhängig davon, ob er im eigenen Kompetenzbereich oder im delegierten Kompetenzbereich tätig wird, der Maßstab der ordnungsgemäßen Verwaltung.
Hier: Zum beschlossenen Ausbau der Fenster wurde dem Verwalter die Einholung von drei Angeboten und ein Maximalbetrag an Kosten vorgegeben worden. Damit sind die wesentlichen Entscheidungen über die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme und der Finanzierung getroffen worden. Die Auftragsvergabe und die Durchführung im Einzelnen habe ohne weiteres auf den Verwalter delegiert werden können.
BGH, Beschluss vom 13.08.2024 - VII ZR 255/21 -
Der BGH musste sich mit einer Kündigung auseinandersetzen, die auf Rückstand mit Miete und Betriebskostennachzahlung basierte, wobei während des Revisionsverfahrens der Mieter freiwillig auszog, weshalb eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu treffen war.
Wird dem Mieter wegen Zahlungsrückstand gekündigt und zieht er nach Erhebung der Räumungsklage, gegen die er sich noch schriftsätzlich verteidigt hatte (hier auch im Revisionsverfahren durch eine Revisionserwiderung), aus, so ist in dem Auszug wegen der vielfältigen Gründe für einen Auszug kein freiwilliges Nachgeben und akzeptieren der Auffassung des Klägers zu sehen.
Nach der überwiegenden Auffassung ist bei einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eine offene Betriebskostenabrechnung nicht hinzuzuaddieren. Erklären die Parteien nach dem Auszug übereinstimmend die Hauptsache für erledigt, so ist – so der BGH – die schwierige Rechtsfrage nicht geklärt (und vom BGH im Rahmen einer Entscheidung nach § 91a ZPO nicht zu klären), ob die offenen Betriebskosten (stützt sich der Vermieter zur Begründung seiner Kündigung auch auf diese) mit berücksichtigt werden müssen oder nicht und sind die Kosten des Räumungs- und Herausgabeverfahrens deshalb gegeneinander aufzuheben, wenn der Mietrückstand alleine nicht die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Nr. 3 BGB erfüllt.
LG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2023 - 11 S 12/23 -
Die WEG wird durch einen Verwalter vertreten. Ist die Gemeinschaft verwalterlos, kann ein Antrag auf Bestellung eines Verwalters durch einstweilige Verfügung durch das Gericht gestellt werden. Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit ist darzulegen und glaubhaft zu machen.
Legen die Antragsgegner gegen ein auf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ergangenes Urteil Berufung ein, ist dieses wegen Selbstwiderlegung der Dringlichkeit vom Berufungsgericht aufzuheben, wenn noch nach Monaten die Verfügung nicht umgesetzt und der Verwalter nicht zur Tätigkeit aufgefordert wurde.
Obiter dictum: Eine Verwalterbestellung durch einstweilige Verfügung ist auf ein Jahr zu befristen.
BGH, Urteil vom 07.08.2024 – VIa ZR 930/23 -
Problemstellung hier: Zedent tritt Forderung an Zessionar ab, dessen Klage wegen fehlender Aktivlegitimation (insoweit zur Unrecht) rechtskräftig abgewiesen wird. Nun lässt er sich den Anspruch zurückabtreten und klagt ihn erneut ein. Es stellt sich die Frage der Rechtskrafterstreckung.
Der von der Rechtskraft umfasste Streitgegenstand wird vom Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Rechtsfolge herleitet. Das gilt unabhängig davon, ob diese einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhaltes von den Parteien vorgetragen wurden oder nicht, ferner unabhängig davon, ob die Parteien nicht vorgetragene Tatsachen bereits kannten und hätten vortragen können.
Die Rechtskraft beschränkt sich auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also die Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet. Nicht erfasst werden einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die Entscheidung aufbaut. Feststellungen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen oder sonstigen Vorfragen nehmen als bloße Urteilselemente damit nicht an der Rechtskraft teil. Die Feststellung der fehlenden Aktivlegitimation ist ein Urteilselement, welches and er Rechtskraft nicht teilnimmt.
Tritt der Anspruchsinhaber seinen Anspruch an einen Dritten ab, wird dessen Klage wegen fehlender Aktivlegitimation zurückgewiesen, so wird gleichwohl über den Lebenssachverhalt entschieden, wenn sich nicht aus dem Tenor oder den Gründen ein Vorbehalt ergeben sollte.
Lässt sich ehemalige Anspruchsinhaber den Anspruch (nach Zurückweisung der Klage des Zessionars) zurückabtreten, und wird nunmehr die ehemalige Zession an den Zessionar als wirksam angesehen, dann ist die Klage des ehemaligen Anspruchsinhabers auch abzuweisen, da ihr die Rechtskraft des Urteils aus dem Vorprozess entgegensteht.
OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -
Den Versicherungsnehmer trifft nach einer besonderen schriftlichen Belehrung über die Folgen von Falschangaben die Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Beantwortung von zulässigen Fragen. Ein Verstoß dagegen stellt sich als Obliegenheitspflichtverletzung dar.
Wird der Versicherungsnehmer nach einem Diebstahl (hier: Quad) gefragt, ob er bereits eine Vermögensauskunft abgegeben habe, und verneint er dies wahrheitswidrig, liegt eine unrichtige Angabe vor. Eine arglistige Obliegenheitspflichtverletzung ist dabei anzunehmen, wenn er vorsätzlich mit der unrichtigen Angabe bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstößt, da er damit rechnet, dass diese Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben kann. Der Versicherer ist in einem solchen Fall grds. leistungsfrei.
Gerade bei Diebstählen sind die finanziellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers von besonderer Bedeutung für einen Versicherer, weshalb es sich hier um eine zulässige Frage handelt.
OLG Bamberg, Beschluss vom 01.03.2024 - 2 W 39/23 -
Das Gericht kann nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO neben Ordnungsgeld (S. 2) ihm die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegen. Dazu zählen auch die Kosten der Parteien, die kausal entstehen.
Für die Festsetzung der gegen den Zeugen bei seinem Ausbleiben zum Termin zu tragenden Mehrkosten des Verfahrens greift die dem Kostenfestsetzungsverfahren prägende Grundregel, dass nur die Kosten zu erstatten sind, die zur zweckentsprechenden Wahrung von Rechten der Partei notwendig sind (§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Handelt es sich bei dem Prozessbevollmächtigten einer Partei um einen ausländischen, in Deutschland zugelassenen und von seiner Kanzleipflicht in Deutschland entbundenen Rechtsanwalt, der die ebenfalls dort im Ausland wohnende Partei vertritt, sind seine Reisekosten für die Teilnahem an dem neuen Termin (insbesondere auch zur Beweisaufnahme) notwendige Kosten und grds. vom Zeugen zu tragen (hier-Flugkosten von € 1.000,00).
BGH, Urteil vom 19.07.2024 - V ZR 102/23 -
Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat sich auch die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer geändert. Wurde auch § 28 Abs. 5 WEG a.F. noch über die Jahresabrechnung und zum Wirtschaftsplan ein Beschluss gefasst, ist das nach dem seit 01.12.2020 anwendbaren § 28 WEG n.F. nicht mehr der Fall; vielmehr wird hier nur noch zum Wirtschaftsplan über die Vorschüsse ein Beschluss gefasst, entsprechend zur Jahresabrechnung nur noch ein Beschluss über die in den Einzelabrechnungen ausgewiesenen Nachschüsse oder die Anpassung der beschlossenen Vorauszahlungen (Abrechnungsspitzen).
Bereits mit Beschluss vom 25.10.2023 - V ZB 9/23 - zu einem Beschluss über einen Wirtschaftsplan entschied der BGH, dass dieser normgerecht dahingehend auszulegen ist, dass nach Inkrafttreten von § 28 Abs. 1 S. 1 WEG n.F entsprechend dieser Norm nur über die Vorschüsse ein Beschluss gefasst werden sollte, auch wenn nach dem Wortlaut zugleich der Wirtschaftsplan genehmigt wurde. Daran anschließend entschied der BGH nunmehr zur Jahresabrechnung, dass nicht das Zahlenwerk als solches genehmigt wurde, sondern nur entsprechend der gesetzlichen Vorgabe ein Beschluss über die Abrechnungsspitze gefasst wurde, auch wenn nach dem Wortlaut des Beschlusses „die Gesamtabrechnung und die daraus resultierenden Einzelabrechnungen des Hausgeldes“ genehmigt wurden.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2024 - 3 U 16/24 -
Kommt es zu einer Kollision eines Fahrzeugs mit einer geöffneten Fahrzeugtür eines geparkten Fahrzeugs, haften vom Grundsatz sowohl Fahrer, Halter und Versicherer des vorbeifahrenden Fahrzeugs als auch des parkenden Fahrzeugs, §§ 7, 17, 18 StVG iVm. § 115 VVG. Der Beweis des ersten Anscheins spricht bei einer Kollision im Zusammenhang mit einem Ein-/Aussteigvorgang für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein-/Aussteigenden.
Für den Haftungsanteil des mit der geöffneten Tür kollidierenden Fahrzeugs kommt es darauf an, ob die Öffnung für dessen Fahrer zu sehen war und der Sicherheitsabstand eingehalten wurde bzw. werden konnte. Dabei kommt es auch darauf an, ob ggf. die Tür während der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2024 - 21 W 146/23 -
Für die Anfechtung einer Ausschlagung der Erbschaft wegen Irrtums ist ein kausaler Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses erforderlich, §§ 1954, 119 Abs. 2 BGB. Ein solcher Irrtum kann angenommen werden bei falscher Vorstellung hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, des Bestandes an Aktiva und Passiva. Die Überschuldung des Nachlasses ist aber keine verkehrswesentliche Eigenschaft und kann lediglich bei der Kausalitätsprüfung berücksichtigt werden.
Irrtum ist eine innere Tatsache. Ein entsprechender Irrtum iSv. § 119 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, wenn die Ausschlagung unabhängig von Grund und Höhe der Erbschaft bewusst auf der Grundlage ungenauer zeitferner Informationen erfolgt. Der Erklärende muss hinreichende Anstrengungen unternommen haben, um Erkenntnisse über Fakten zu erlangen, die ihm als gesicherte Entscheidungsgrundlage dienen können. Im Rahmen der Irrtumsfeststellung ist auch ein Verschulden des Erklärenden nicht zu berücksichtigen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 16.07.2024 - 7 U 89/23 -
Für den Regress des Sozialversicherungsträgers (hier: gesetzliche Rentenversicherung) nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII beginnt Verjährungsfrist nach § 113 S. 1 SGB VII kenntnisunabhängig ab dem Tag der Feststellung des Versicherungsfalles durch den Unfallversicherungsträger zu laufen. § 113 S. 1 SGB VII ist nicht nur auf Unfallversicherungsträger anwendbar, sondern auf alle Sozialversicherungsträger (so auch gesetzliche Krankenversicherungen und die gesetzliche Rentenversicherung).
Die Verjährungsfrist ist taggenau zu berechnen. Mögliche Umstände, die eine Hemmung der Verjährung bewirken können, sind zu berücksichtigen.
Der Verfasser setzt sich mit den Gründen des OLG zur Zulassung der Revision kritisch auseinander.
Hansetisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 15.02.2024 - 4 W 15/24 -
Eine Partei kann nicht verlangen, dass anstelle der Anhörung des Sachverständigen ein Ortstermin durchgeführt wird. Eine Beschwerde gegen den den entsprechenden Antrag zurückweisenden Beschluss ist unzulässig. Die Ablehnung eines Antrages auf Durchführung eines Ortstermins anstelle der Anhörung des Sachverständigen kann nicht mit einer sofortigen Beschwerde angefochten werden.
Die Ablehnung einer Überprüfung einer Wohnung durch den Sachverständigen, nachdem dieser zuvor nicht eingelassen wurde, was in der Risikosphäre des Antragstellers liegt, ist dann unzulässig, wenn bis zu einem Termin (hier auf Anhörung des Sachverständigen) noch die Möglichkeit besteht, dass dieser die Wohnung doch begehen kann.
Die Ablehnung eines Beweisantrages im selbständigen Beweisverfahren ist zulässig, wenn dieser nicht den Anforderungen des § 487 Nr. 2 ZPO entspricht. Danach darf das Beweisverfahren nicht zum Ausforschungsbeweis genutzt werden. Werden Mängel behauptet, sind diese (ggf. nach der Symptomtheorie) nicht pauschal zu behaupten, sondern zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.
BGH, Beschluss vom 29.11.2023 - XII ZR 36/23 -
Es gibt gerichtsbekannte Tatsachen, die ein Gericht in einem Urteil grundsätzlich ebenso verwerten darf wie Kenntnisse aus Vorprozessen der Parteien. Allerdings:
Ein Gericht darf „gerichtsbekannte“ Tatsachen in einem Urteil nur verwerten, wenn es den Parteien zuvor die Möglichkeit einer Stellungnahme zu diesen Tatsachen ermöglicht hat. Will ein Gericht Tatsachen zu Geschehensabläufen pp. aus einem Vorprozess verwerten, ohne dass die entsprechende Akte beigezogen wurde und auch kein Antrag dahingehend gestellt worden war, und wurden auch nicht das Urteil aus dem Vorprozess oder Schriftstücke aus diesem Verfahren von den Parteien vorgelegt, dürfen diese Kenntnisse des Gerichts bei der Urteilsfindung nur berücksichtigt werden, wenn den Parteien die Möglichkeit gegeben wurde, dazu vorher Stellung zu nehmen. Ein Verstoß dagegen stellt sich als Verletzung rechtlichen Gehörs dar, Art. 103 GG. Es muss auch davon ausgegangen werden, dass das Urteil auf diesem Verstoß beruht, und ohne diesen Verstoß die Möglichkeit bestand, dass das Urteil zugunsten des durch den Verstoß Beschwerten ausgefallen wäre.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2024 - 14 W 52/24 - (Wx)
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist, unabhängig davon, ob sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist, rechtsfähig. Ihre Eintragung im Gesellschaftsregister hat nur konstitutive Wirkung.
§ 707 Abs. 2 BGB regelt, welche Angaben bei der Anmeldung der GbR zum Gesellschaftsregister erforderlich sind. Dort ist nicht vorgesehen, dass der Gegenstand der Gesellschaft angegeben wird. § 3 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 GesRV enthält zur Angabe des Gegenstandes der Gesellschaft lediglich eine Sollbestimmung; dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass die Eintragung nicht von der Angabe abhängig gemacht werden kann (BR-Drs. 560/22, S. 15).
Auch im Rahmen der Amtsprüfung des Registergerichts nach § 26 FamFG können weitergehende Angaben als in § 707 Abs. 2 BGB nur verlangt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch der Gesellschaftsform bestehen, eine allgemeine Möglichkeit des Missbrauchs reicht nicht aus.
LG Berlin II, Hinweisbeschluss vom 30.06.2024 - 67 S 144/24 -
Enthält in Mietvertrag eine nicht individuell ausgehandelte sondern vorformulierte Klausel (AGB), nach der die technischen Geräte in einer Einbauküche als „nicht mitvermietet gelten“, liegt wegen zumindest zwei Auslegungsmöglichkeiten Unklarheit iSv. § 305c Abs. 2 BGB vor: Sie kann bedeuten, dass der Vermieter nicht zur Reparatur/zum Austausch verpflichtet ist, aber auch, dass sie ohne zusätzlichen Mietzins zur Grundmietet unter Beibehaltung der Gewährleistungsrechte des Mieters nach §§ 535 ff BGB mitvermietet wird.
Damit kann der Mieter bei einem Defekt des Geräts (hier: Geschirrspüler) dessen Reparatur (evtl. Austausch) durch den Vermieter verlangen, § 535 Abs. 1 S. 2 BGB.
Kammergericht, Beschluss vom 13.05.2024 - 22 W 16/14 -
Für die Firma einer Gesellschaft ist § 18 HGB zu beachten. Die Vorschrift fordert eine Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft. Erforderlich ist deshalb, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden kann und individualisierend wirkt. An der Unterscheidungskraft ermangelt es, wenn ein „Allerweltsname“ genutzt wird und auch dann, wenn die Bezeichnung rein beschreibender Natur ist (wie z.B. bei Gattungsbezeichnungen, z.B. Vertrieb.de).
Die Vergaberichtlinien der Denic eG, eine Domain nur einmal zu vergeben, führt nicht durch die TOP-Level-Domain (hier: de) zur Unterscheidungskraft. Die Top-Level-Domain wird in der Regel nicht prägend wahrgenommen (Beispiel: „XXX.de“ zu „XXX.com“). Hinzu kommt (hier) das Freihaltungsbedürfnis bezüglich einer allgemein gehaltenen Bezeichnung, die die Bildung anderer Firmen nicht übermäßig beeinträchtigen darf.
Vorliegend hatte die verwandte allgemeine Bezeichnung auch keine allgemeine Verkehrsgeltung.
LG Frankenthal, Urteil vom 17.01.2024 - 2 O 230/23 -
Bei einer Kaskoversicherung eines Oldtimers werden häufig Höchstentschädigungsklauseln verwandt, denen der Marktwert (Versicherungswert) bei Vertragsabschluss zugrunde gelegt wird (Höchstentschädigung. Marktwert zuzügl. 10%).
Will der Versicherungsnehmer bei Wertsteigerungen des Oldtimers den aktuellen Wert ersetzt erhalten, muss er den Versicherungswert regelmäßig anpassen lassen, liegt dieser (hier) 10% über den bisherigen (zugrunde zu legenden) Markt-/Versicherungswert).
OLG Köln, Beschluss vom 02.04.2024 - 17 W 40/24 -
Aus Anlass eines Prozesses kann eine Partei veranlasst sein, ein eigenes Gutachten einzuholen. Die Kosten können notwendige Kosten des Rechtsstreits iSv. § 91 Abs. 2 ZPO für die Partei sein, die dann auch im Rahmen der Kostenausgleichung und -festsetzung zu berücksichtigen sind.
Holt eine (auch große) Versicherungsgesellschaft ein eigenes Sachverständigengutachten ein, nachdem ein gerichtlich eingeholtes für sie negativ war, und kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Versicherung würde insoweit interne Sachkunde (hier: komplexe medizinischen Fragen zur Schädigung des Sehnervs) vorhalten, kann sie die Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Gegenpartei festsetzen lassen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.07.2024 - 12 U 63/22 -
Ist das Verlangen nach Mangelbeseitigung objektiv unverhältnismäßig nach § 635 Abs. 3 BGB, entfällt der Anspruch, wenn der Einwand vom Werkunternehmer erhoben wird.
Abzustellen ist darauf, ob ein nach den Umständen objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer Mangelfreiheit einem ganz erheblichen und vergleichsweise unangemessenen Kostenaufwand gegenübersteht. Dabei ist zu Lasten des Auftragnehmers zu berücksichtigen, ob und in welchem Ausmaß ein Verschulden bei ihm vorliegt. Das Verlangen einer Vertragserfüllung ohne Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand kann sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen.
BGH, Urteil vom 16.07.2024 - II ZR 100/23 -
Die zum Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zur Behandlung von Beschlussmängeln gelten auch In der Partnerschaftsgesellschaft (PartG mbB).
Die Einberufung durch einen Unbefugten führt zur Nichtigkeit der auf der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beschluss auch gefasst worden wäre, wenn von einem Berechtigten zur Gesellschafterversammlung eingeladen worden wäre. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Gesellschaft um eine personalistisch geführte Gesellschaft handelt.
OLG Nürnberg, Urteil vom 11.06.2024 - 14 U 203/23 -
Erfolgt die Schadensersatzzahlung nach einem Unfall durch den Haftpflichtversicherer nicht an den Eigentümer (hier: Leasinggesellschaft) sondern den Besitzer, zahlt er an einen Nichtberechtigten.
Macht dies Leasinggesellschaft nunmehr selbst Ansprüche wegen der Beschädigung des geleasten Fahrzeugs als Eigentümerin desselben gegen den Haftpflichtversicherer geltend, ist der Anspruch nach § 851 BGB, auf den sich die Haftpflichtversicherung berufen kann, davon abhängig, ob dem Haftpflichtversicherer das Recht des Dritten bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Den Nachweis, dass das Recht des Dritten dem Haftpflichtversicherer bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, muss der Anspruchsteller (hier die Leasinggesellschaft) erbringen.
Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht vor, wenn der Haftpflichtversicherer sich das Eigentum des ursprünglichen Anspruchstellers nicht nachweisen lässt, auch nicht die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt oder Einsicht in die Verkehrsunfallakte nimmt. Der (auch mittelbare) Besitz am Fahrzeug durch den ursprünglichen Anspruchsteller ist ausreichend.
Die Angabe in einem Schreiben eines Rechtsanwalts, „Pkw meines Mandanten“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch als Angabe zum Eigentum zu verstehen.
Der Ausschluss der befreienden Wirkung greift bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis. Grobe Fahrlässig in Bezug auf die Kenntnis des Rechts des Dritten liegt vor, wenn der Ersatzpflichtige die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet habe, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten muss.
Liegen im Einzelfall keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass es sich bei dem Unfallwagen um ein Leasingfahrzeug, sicherungsübereignetes Fahrzeug oder um Vorbehaltsware handelt, und bestehen auch aus anderen Gründen keine validen Zweifel, dass der Anspruchsteller Eigentümer des Unfallsfahrzeugs ist, kann mithin von dessen Berechtigung ausgegangen werden.
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378/23 -
Soll durch einen (mit qualifizierter Mehrheit gefassten) Beschluss einem Miteigentümer ermöglicht werden, sein Teileigentum in Wohnungseigentum (oder umgekehrt) umzuwandeln, bedarf es zur Eintragung in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern einer Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung der Wohnungs- und Teileigentümer. Gleiches gilt für die Eintragung einer Änderung der in der Gemeinschaftsordnung geregelten Vertretung bei der Stimmabgabe.
Entsprechende mit qualifizierter Mehrheit gefasste Beschlüsse der Wohnungs- und Teileigentümer dürfen nur in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern eingetragen werden, wenn zu den entsprechenden Reglungen in der Gemeinschaftsordnung bereits Öffnungsklauseln enthalten sind.
Ein ohne Öffnungsklausel gefasster Beschluss bleibt unabhängig davon bindend, wenn er nicht nichtig ist oder angefochten wurde.
BGH, Urteil vom 11.06.2024 - VI ZR 133/23 -
Zum Regress des gesetzlichen Unfallsicherungsträgers nach §§ 110 Abs. 1, 111 S. 1 SGB VII gegenüber dem eigenen Mitgliedsunternehmen: Es handelt sich um einen originären, selbständigen Anspruch des Sozialversicherungsträgers, der privatrechtlicher Natur ist. Nach § 110 SGB VII haften gem. § 111 S. 1 SGB VII auch die Vertretenen, wenn ein Mitglied eines vertretungsberechtigten Organs, Abwickler oder Liquidatoren juristischer Personen, vertretungsberechtigte Gesellschafter oder Liquidatoren einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder gesetzliche Vertreter der Unternehmer in Ausführung ihnen zustehender Verrichtungen den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten und kommt daher ein Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers (gesetzliche Unfallversicherung) in diesen Fällen auch gegenüber dem Mitgliedunternehmen in Betracht.
Ein Fuhrparkleiter, der keine der in § 111 S. 1 SGB VII benannte Funktion ausübt, begründet damit keine Haftung des Mitgliedsunternehmens des Sozialversicherungsträgers diesem gegenüber nach § 110 SGB VII. Eine entsprechend oder analoge Anwendung von § 31 BGB, wie sie teilweise in Rechtsprechung und Literatur angenommen wird, in Bezug auf eine Repräsentantenhaftung angenommen wird, bzw. eine entsprechende Auslegung von § 111 SGB VII ist ausgeschlossen, da keine Gesetzeslücke besteht und die eingeschränkte Haftung nach § 111 S. 1 SGB VII gesetzgeberischer Wille ist.
BGH, Urteil vom 10.07.2024 - VIII ZR 184/23 -
§ 390 BGB bestimmt, dass eine Forderung, der eine Einrede (also ein Leistungsverweigerungsrecht) entgegensteht, nicht aufgerechnet werden kann. § 215 BGB stellt sich als eine Ausnahmevorschrift von § 390 BGB dar. Nach § 215 Alt 1 BGB schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der der Aufrechnung zugrunde liegende Anspruch noch nicht zu dem Zeitpunkt verjährt gewesen ist, in dem er erstmals hatte aufgerechnet werden können. Grundlage ist die Aufrechnungslage vor Verjährungseintritt, § 387 BGB.
Schadenersatzansprüche des Vermieters verjähren regelmäßig in der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 S. 1 BGB. Auch nach Ablauf dieser Frist kann ein Vermieter dem Anspruch auf Rückzahlung der Baukaution (einschl. Zinsen) des Mieters den Schadensersatzanspruch entgegenhalten und selbst dann einen Entschädigungsanspruch aufrechnungsweise geltend machen, wenn er bisher nicht von der Ersetzungsbefugnis (Entschädigung statt Naturalrestitution) Gebrauch gemacht hatte, § 215 Alt. 1 BGB.
LG Berlin II, Beschl. v. 17.02.2024 - 67 T 108/23 -
Eine Räumungsfrist zur Räumung von Wohnraum kann nach § 721 Abs. 3 ZPO nur verlängert werden, wenn der Mieter darlegt und beweist, dass er sich tatsächlich um für ihn angemessenen und seiner wirtschaftlichen Lage entsprechenden Wohnraum bemüht hat. Die Vorlage alleine von Bewerbungsunterlagen für anderweitigen Wohnraum ist nicht ausreichend, da dies nicht belegt, dass tatsächlich Bewerbungsbemühungen erfolgten. Das Gericht darf nicht auf vermeintlich gerichtsbekannte Umstände (wie knapper Wohnraum) abstellen.
Das AG Frankfurt am Main führt - also denknotwendige Folge des elektronischen Rechtsverkehrs - die elektronische Akte ein. Der Beitrag setzt sich mit der Angabe der Präsidentin des AG Frankfurt am Main auseinander, es "infolge der Einführung der eAkte und anhaltend hohen Eingangszahlen ... leider zu längeren Bearbeitungszeiten" kommt.
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.02.2024 - 3 U 96/23 -
Der Klageantrag in Verbindung mit einem schlüssigen Sachvortrag ist für die Bestimmung der Zuständigkeit bei Streitigkeiten über Mieträume in Bezug auf das Vorliegen eines Wohnraum- oder Gewerbe-/Geschäftsraummietvertrages entscheidend, da sich danach der Streitgegenstand bestimmt.
Berühmt sich der Beklagte Gegenrechte aus einem Wohnraummietvertrag, kann dies nur dann zur Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG anstelle des nach dem Streitwert angerufenen Landgerichts führen, wenn der Kläger dem (schlüssigen) Vortrag des Beklagten nicht entgegentritt.
Liegt in der zuständigkeitsbegründenden Tatsache eine doppelrelevante Tatsache (was der Fall ist, wenn diese zugleich Voraussetzung für die Begründetheit der Klage ist), wird über das Vorliegen dieser Tatsache kein Beweis zur Klärung der Zuständigkeit erhoben, sondern ist für die Entscheidung das Vorbringen des Klägers für die Zulässigkeit als wahr zu unterstellen.
Erweist sich der den Klageantrag stützende Vortrag des Klägers zum Mietverhältnis (z.B. Gewerberaummietvertrag statt Wohnraummietvertrag bei Klage vor dem Landgericht) als unwahr, so ist die darauf gestützte Klage als unbegründet abzuweisen.
BGH, Beschluss vom 06.06.2024 - V ZB 67/23 -
Wird von einem Antragsgegner nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens ein Antrag gestellt, dem Antragsteller eine Frist zu Klageerhebung zu stellen, und wird die Klage nicht aufgrund eines entsprechenden gerichtlichen Beschlusses erhoben, so kann der Antragsgegner beantragen, seine außergerichtlichen Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen, § 494a Abs. 1 ZPO.
Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens.
Erhebt der Antragssteller Klage gegen Dritte (hier: die weiteren Antragsgegner) und tritt der Antragsgegner, der den Antrag nach § 494a ZPO stellte, dem Verfahren auf Seiten der jetzigen beklagten weiteren Antragsgegner als Streithelfer bei, begründet eine (auch nur teilweise) Kostenentscheidung zu Lasten der beklagten Antragsgegner (und nach § 101 ZPO insoweit auch zu Lasten des Streithelfers) keinen (teilweisen, an der Quote im Urteil orientierten) Rückerstattungsanspruch des Antragstellers gegen den als Streithelfer beigetretenen ehemaligen Antragsgegner des selbständigen Beweisverfahrens. Eine Verrechnung einer nach einer Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren erfolgten Zahlung kann nicht erfolgen; der Streithelfer hat, insoweit nach § 101 ZPO eine Kostenquote im Urteil zu seinen Gunsten festgelegt wurde, einen ungeschmälerten Anspruch darauf.
Es kann auf sich beruhen, ob es sich bei der Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren nur um eine vorläufige Kostenentscheidung handelt.
BGH, Beschluss vom 28.02.2024 – IX ZB 30/23 -
BFH, Beschluss vom 28.06.2024 – I B 41/23 (AdV) -
Für die Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes auf einem sicheren Übermittlungsweg (z.B. beA, beSt) an ein Gericht reicht es grundsätzlich aus, dass dieser einfach signiert wird.
Wird das Dokument zwar von dem dies verfassenden Rechtsanwalt oder Steuerberater einfach signiert (Name mit Angabe Rechtsanwalt bzw. Steuerberater), aber von einem anderen Rechtsanwalt oder Steuerberater über dessen elektronisches Postfach dem Gericht übermittelt, so ist dieses von dem übermittelnden Rechtsanwalt oder Steuerberater qualifiziert elektronisch zu signieren. Erfolgt die qualifizierte Signatur nicht, ist ein mit diesem Schriftstück eingelegter Rechtsbehelf als unzulässig abzuweisen; ob Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, wäre auf zu begründenden Antrag gesondert zu prüfen. Ebenfalls führt es zur Unzulässigkeit, wenn zwar der versendende Rechtsanwalt bzw. Steuerberater über sein elektronisches Postfach auf dem sicheren Übermittlungsweg den bestimmenden Schriftsatz mit qualifizierter elektronischer Signatur versieht, er aber nicht Prozessbevollmächtigter (Haupt- oder Unterbevollmächtigter) ist bzw. nicht der prozessbevollmächtigten Kanzlei (Sozietät) angehört.
Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 13.03.2024 - 2 W 44/23 -
Unterschieden wird zwischen Gerichts- und Parteikosten. Gerichtskosten sind Gerichtsgebühren und die Auslagen des Gerichts. Bei den Auslagen des Gerichts handelt es sich auch um das Honorar des vom Gericht beauftragten Sachverständigen sowie dessen Aufwendungen, z.B. durch Hinzuziehung von Hilfskräften, wie von ihm beauftragte Handwerker (KV-GKG 9005). Im Übrigen handelt es sich um Parteikosten.
Übernimmt eine Partei im Rahmen einer Bauteilöffnung die danach notwendige Neuverfliesung, handelt es sich nicht um Gerichtskosten, sondern um Parteikosten. Wird in einem Vergleich zwischen den Parteien geregelt, dass die Parteikosten gegeneinander aufgehoben werden, jede Partei mithin ihre eigenen Kosten trägt, so kann die betroffene Partei ihre Kosten für die Neuverfliesung nicht zur Kostenfestsetzung geltend machen. Ein eventueller materieller Anspruch bleibt davon grundsätzlich unberührt.
LAG Nürnberg, Beschluss vom 16.05.2024 - 5 Ta 35/24 -
Nach dem Wortlaut von Nr.9019 KV-GKG hat die Partei zu die Kostenpauschale für die Videokonferenz zu zahlen, die diese Teilnahme am Gerichtstermin wählt. Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Seit dem 19.07.2024 sind die Kosten entfallen; offen ist nur im Hinblick auf § 71 GKG, ob die Regelung von Nr. 9019 KV-GKG für am 18.07.2024 bereits anhängige Verfahren bei Videoverhandlungen danach noch gilt.
OLG Köln, Beschluss vom 17.04.2024 - 10 WF 16/24 -
Die gesetzliche Vertretung eines Elternteils minderjähriger Kinder nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB wird nicht deshalb ausgeschlossen, da das Elternteil alleiniger Erbe nach dem verstorbenen Elternteil wurde.
Bei einer erkennbaren Gefährdung des Pflichtteilsanspruchs kann eine Einschränkung der Vertretungsmacht durch das Familiengericht möglich sein (vorliegend verneint).
Der Umstand, dass nicht ähnlich einem Berliner Testament die Kinder zu Schlusserben bestimmt wurden, stellt sich noch nicht als Gefährdung dar, da die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a BGB), ferner auch die Möglichkeit von Ersatzansprüchen nach §§ 2287, 2288 BGB zu berücksichtigen ist.
VG Würzburg, Beschluss vom 20.06.2024 - W 8 M 24.374 -
In Verwaltungsgerichtsverfahren wie auch in Zivilprozess kommt es häufiger zu Verfahrensabtrennungen. Damit stellt sich die Frage der Berechnung der Gebühren. Kommt es zu einer Verfahrenabstrennung, kann die Verfahrensgebühr (§ 2 Abs. 2 RVG iVm. Nr. 3100 VV RVG) nicht mehr aus dem ursprünglichen Gesamtstreitwert berechnet werden. Der Rechtsanwalt hat eine Wahlmöglichkeit: Er kann die Festsetzung der Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordern (Prozentuale Geltendmachung der Gebühr aus dem Gesamtstreitwert im Verhältnis von Gesamtstreitwert zu Einzelstreitwert im jeweiligen Verfahren) oder aber die Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach der Verfahrenstrennung.
Die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG (Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen) kann in den getrennten Verfahren jeweils gesondert geltend gemacht werden, berechnet mit 20% der dort jeweils entstandenen Gebühren, maximal jeweils € 20,00.