Willkürliche Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung bei Untätigkeitsklage

BVerfG, Beschluss vom 08.02.2023 - 1 BvR 311/22 -

 

§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG sieht vor, dass bei Nichtverbescheidung eines Veraltungsaktes ohne zureichenden Grund innerhalb angemessener Frist, nach sechs Monaten Untätigkeitsklage erhoben werden kann. Wird der beantragte Verwaltungsakt nach Erhebung der Klage positiv verbeschieden, erledigt sich die Hauptsache. In diesem Fall hat das Gericht nach billigen Ermessen (unter Beachtung des Justizgewährungsanspruchs, Art. 19 Abs. 4 GG, und des Willkürverbotes, Art. 3 Abs. 1 GG) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Grundlage ist der Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung. War die Klage zulässig (also nach Ablauf der Wartefrist des § 88 SGG erhoben worden) und begründet, so sind grundsätzlich der beklagten Behörde die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wenn nicht zureichende Gründe für eine Verzögerung der Verbescheidung vorlagen.

 

Die Kostenentscheidung kann auch nicht zu Lasten des Klägers mit der Begründung ergehen, dieser hätte bei der Behörde erst nachfragen müssen, diese mahnen müssen oder auf die Absicht einer Untätigkeitsklage hinweisen müssen. Eine Nachfragepflicht kann sich im Einzelfall lediglich bei besonderen Gründen ergeben.

 

Die Erhebung der Klage kann auch missbräuchlich sein und damit den Kostenerstattungsanspruch des Klägers ausschließen. Dies ist denkbar, wenn sie erhoben wird, um Kostenvorteile zu erlangen. Alleine die Beauftragung eines anwaltlichen Bevollmächtigten begründet eine solche Annahme aber nicht.

 


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