Der Zugang eines Kündigungsschreibens als Willenserklärung unter Abwesenden (also nicht die direkte Übergabe desselben vom Absender an den Empfänger persönlich) erfolgt nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, sobald das Kündigungsschreiben in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfänger gelangt und nach den gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht. Bei einem Einwurf in einen Hausbriefkasten ist damit zu dem Zeitpunkt zu rechnen, zu dem nach der Verkehrsanschauung nach dem Einwurf mit der nächsten Leerung desselben zu rechnen ist.
Die Verkehrsanschauung geht generalisierend von der üblichen Leerung aus, wobei als übliche Leerung auch die Zeit direkt nach der üblichen Zustellung angesehen werden kann. Lebensgewohnheiten des Empfängers, Vereinbarungen mit dem Postzusteller über Zustellzeiten wie auch z.B. krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheiten sind nicht zu berücksichtigen. Die (örtliche) Verkehrsanschauung ist tatrichterlich festzustellen.
Eine Verkehrsanschauung kann sich wandeln. Es besteht keine Vermutung für eine Fortdauer derselben.
BAG, Urteil vom 22.08.2019 - 2 AZR 111/19 -